Ausgabe Oktober 2019

Kurzgefasst

Annette Simon: Wut schlägt Scham. Das »Wir sind das Volk« der AfD als nachgeholter Widerstand, S. 41-50

Offensiv und höchst instrumentell übernimmt die AfD in Ostdeutschland die zentrale Parole der friedlichen Revolution von 1989: „Wir sind das Volk“. Damit aber homogenisiert sie die DDR-Bevölkerung, die tatsächlich vielfach gespalten war, so die Psychologin Annette Simon. Demgegenüber gilt es viel stärker – auch mit Blick auf westdeutsche Zuschreibungen – die Widersprüche in der ostdeutschen Identität in den Blick zu nehmen.

Jan Opielka: Autoritär versus liberal: Polen am Scheideweg, S. 51-58 

Polen ist tief gespalten zwischen der zunehmend autoritär agierenden PiS-Regierung und der liberalen und linken Opposition. Allerdings ist diese Polarisierung kein reiner Kulturkampf, analysiert der Journalist Jan Opielka. Vielmehr resultiert sie aus dem ökonomischen Schock der Nachwendejahre ab 1990. Mit ihren Sozialprogrammen umwirbt die PiS die Verlierer jener Jahre – mit beträchtlichem Erfolg.  

Herfried Münkler: Mehr Westen oder mehr Osten wagen? Europas Wahl zwischen Wertebindung und Geopolitik, S. 59-68

Über Jahrzehnte orientierten sich Deutschland und Europa auf die außenpolitische Allianz mit den USA. Doch unter Donald Trump schwindet die vielbeschworene westliche Wertegemeinschaft zusehends. Damit steht die Europäische Union vor einer Entscheidung, argumentiert der Politikwissenschaftler Herfried Münkler: Entweder hält sie am transatlantischen Bündnis fest oder sie entwickelt eine eigenständige europäische Sicherheitsordnung – mit Russland als strategischem Partner.

Klaus Kamps: Die Einflüsterer des Präsidenten: Fox News und Donald Trump, S. 69-78

Dass der US-Fernsehsender Fox News konservativen Tendenz-Journalismus betreibt, ist seit langem bekannt. Doch nun entwickelt er sich zu einem politischen Akteur eigener Art. Der Kommunikationswissenschaftler Klaus Kamps beschreibt die auf Donald Trump ausgerichtete Personalpolitik des Senders und zeigt, wie der Präsident die Agenda von Fox News aufgreift. Fox befördert damit die zunehmende Radikalisierung der US-Konservativen.

Joseph E. Stiglitz: Die Wirtschaft, die wir brauchen. Plädoyer für einen progressiven Kapitalismus, S. 79-87

Für große Teile der Menschen in den westlichen Industrienationen funktioniert die Markwirtschaft nicht mehr. Auf beiden Seiten des Atlantiks ist die Mittelschicht ausgehöhlt, diagnostiziert der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz. Er plädiert demgegenüber für einen progressiven Kapitalismus, der sich durch Regulierungen, Reformen und einen neuen Gesellschaftsvertrag auszeichnet.

Birgit Mahnkopf: Produktiver, grüner, friedlicher? Die falschen Versprechen des digitalen Kapitalismus, S. 89-98

Gesteigerte Exportmöglichkeiten, besserer Umweltschutz und mehr Frieden auf der Welt – all dies verheißt der digitale Kapitalismus. Jedoch handelt es sich dabei um leere Versprechungen, kritisiert die Politikwissenschaftlerin Birgit Mahnkopf. Tatsächlich droht die Digitalisierung den globalen Süden weiter abzuhängen, während im Norden prekäre Arbeitsbedingungen und Massenentlassungen ins Haus stehen.

Florian Schwinn: Raubbau an der Erde: Unser Krieg gegen den Boden, S. 99-111

Auch in unseren hochtechnologischen Gesellschaften bleibt der Mensch auf fruchtbaren Boden angewiesen. Obwohl dies zum überlieferten Wissen gehört, zerstört der Mensch seine Lebensgrundlage in rasender Geschwindigkeit. Um entschieden gegenzusteuern, plädiert der Journalist Florian Schwinn für politische Allianzen zwischen Bauern und Umweltschützern zum Schutz des Bodens als der Lebensgrundlage des Menschen.

Thomas Thiemeyer: Politisch oder nicht: Was ist ein Museum im 21. Jahrhundert?, S. 113-119

Bislang war die international verbindliche Definition eines Museums rein funktional. Jetzt jedoch schlägt der Internationale Museumsrat ICOM ein explizit politisches Verständnis dieser Institutionen vor. Der Kulturwissenschaftler Thomas Thiemeyer begrüßt diese Rückbesinnung auf die politische Funktion des Museums und warnt zugleich: Ein Bekenntnis zu den Werten liberaler Gesellschaften werde nicht weltweit auf Zustimmung stoßen.

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

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