7.2. - B R D / D D R. In Bonn konstituiert sich ein Kabinettsausschuß "Deutsche Einheit" unter Vorsitz von Bundeskanzler Kohl. Regierungssprecher Klein erklärt nach der Kabinettssitzung, die Bundesregierung sei bereit, "mit der DDR unverzüglich in Verhandlungen über eine Währungsunion mit Wirtschaftsreform einzutreten". - Am 13.2. vereinbaren die Außenminister Genscher (BRD) und Fischer (DDR) mit den Außenministern Frankreichs, Großbritanniens, der UdSSR und der USA die Aufnahme von Verhandlungen, "um die äußeren Aspekte der Herstellung der deutschen Einheit, einschließlich der Fragen der Sicherheit der Nachbarstaaten, zu besprechen". Diese Verhandlungen nach der Formel "zwei plus vier" sollen durch "Gespräche auf Beamtenebene" vorbereitet werden. Die Vereinbarung kommt am Rande der Konferenz "Offener Himmel" in Ottawa zustande. - Vom 13.-14.2. hält sich DDR-Ministerpräsident Modrow an der Spitze einer umfangreichen Regierungsdelegation, zu der auch die Minister der Oppositionsgruppen gehören (vgl. "Blätter", 3/1990, S. 260 f.), in Bonn auf. Modrow vereinbart mit Bundeskanzler Kohl die Bildung einer Expertenkommission zur Vorbereitung einer Währungsunion und einer Wirtschaftsgemeinschaft BRD-DDR. - Am 15.2. berichtet Bundeskanzler Kohl vor dem Bundestag über seine Gespräche mit Generalsekretär Gorbatschow in Moskau und mit Ministerpräsident Modrow in Bonn. Kohl erklärt u.a., er habe gegenüber Gorbatschow die Meinung vertreten, daß "ein künftiges geeintes Deutschland nicht neutralisiert oder demilitarisiert werden darf ..., sondern daß wir im westlichen Bündnis eingebunden bleiben sollen und wollen". Er habe klargestellt, "daß keine Einheiten und Einrichtungen des westlichen Bündnisses auf das heutige Gebiet der DDR vorgeschoben werden". Am 20.2. schlägt Ministerpräsident Modrow vor, Bundesrepublik und DDR sollten noch vor der KSZE-Gipfelkonferenz eine gemeinsame völkerrechtlich verbindliche Erklärung über die Unantastbarkeit der bestehenden Grenzen, insbesondere der Westgrenze Polens, gegenüber ihren Nachbarn abgeben. Die Grenzfrage sei von grundlegender Bedeutung für gegenseitiges Vertrauen. Beide deutsche Staaten sollten sich im Zuge der Überwindung der Teilung für einen Prozeß radikaler Abrüstung in Deutschland und in Europa einsetzen. Die "Entmilitarisierung eines vereinten Deutschland" könne einhergehen mit einer schrittweisen Entmilitarisierung Europas. - Am 21.2. weist Generalsekretär Gorbatschow in einem Interview mit der "Prawda" auf die "Verantwortung der vier Mächte für die künftige Rolle Deutschlands in der Welt" hin. Zu den Aufgaben gehöre auch die Vorbereitung "der Grundlagen eines künftigen Friedensvertrages mit Deutschland". - Am 22.2. unterbreitet DDR-Verteidigungsminister Hoffmann in Berlin einen Plan zur Bildung eines deutschen Bundesheeres in Stärke von 150 000 bis 200 000 Mann. In einem ersten Schritt solle die Gesamtstärke auf etwa 300 000 Mann halbiert werden. Das Konzept sei mit den Verbündeten im Warschauer Vertrag abgestimmt. - Am 28.2. legt das DDR-Außenministerium ein Memorandum "Zur Einbettung der Vereinigung der beiden deutschen Staaten in den gesamteuropäischen Prozeß" vor. Die DDR spricht sich dafür aus, zur bevorstehenden Konferenz über die Zukunft Deutschlands auch dessen Nachbarstaaten einzuladen. - Am 2.3. richtet Ministerpräsident Modrow Briefe an Bundeskanzler Kohl und Generalsekretär Gorbatschow, die sich mit der Sicherung der Eigentumsordnung in der DDR befassen (Texte in "Dokumente zum Zeitgeschehen").
7.-9.2. - U d S S R / U S A. Der amerikanische Außenminister Baker konferiert in Moskau mit seinem sowjetischen Amtskollegen Schewardnadse und wird zu einem Gespräch von Generalsekretär Gorbatschow empfangen. Erörtert werden laut Kommuniqué die verschiedenen Bereiche der Abrüstung, Regionalkonflikte sowie humanitäre Fragen. Baker hält am 10.2. erstmals eine Rede vor dem Außenpolitischen Ausschuß des Obersten Sowjets.
8.2. - D D R / I s r a e l. Ministerpräsident Modrow läßt dem Jüdischen Weltkongreß sowie der Regierung Israels eine Erklärung übermitteln, in der es u.a. heißt: "Die DDR anerkennt die Verantwortung des gesamten deutschen Volkes für die Vergangenheit. Diese ergibt sich aus der tiefen Schuld des Hitlerfaschismus, der im Namen des deutschen Volkes schlimmste Verbrechen am jüdischen Volk begangen hat."
9.2. - P o l e n / B R D. Außenminister Skubiszewski wendet sich nach der Rückkehr von einem Besuch in Bonn gegen Vorschläge für eine Neutralität Deutschlands. Vor der Presse erklärt der Minister, er betrachte den Plan von DDR-Ministerpräsident Modrow (Text in "Blätter", 3/1990, S. 361 f.) kritisch, weil darin der Begriff "Neutralisierung" nicht eindeutig definiert werde. Man dürfe "Neutralität" und "Demilitarisierung" nicht verwechseln. Ein Vergleich Deutschlands mit der Schweiz oder Österreich sei nicht möglich. - Am 21.2. fordert Ministerpräsident Mazowiecki die Anerkennung der polnischen Westgrenze in einer vertraglichen Form. Ein entsprechender Vertrag könne zunächst von beiden deutschen Staaten paraphiert und später von der Regierung eines vereinten Deutschland unterzeichnet werden. - Am 2.3. läßt Bundeskanzler Kohl durch einen Sprecher in Bonn erklären, eine Garantie der polnischen Westgrenze durch eine gesamtdeutsche Regierung könne erst nach einem erneuten förmlichen Verzicht Polens auf Reparationen und nach einer vertraglichen Regelung der Rechte der deutschen Minderheit in Polen erfolgen. Die polnische Regierungssprecherin Niezabitowska bringt im Fernsehen ihre "Verwunderung" über die in Bonn abgegebene Erklärung zum Ausdruck.
- U d S S R / T s c h e c h o s l o w a k e i. Die Vizeaußenminister Abeimow (UdSSR) und Vacek (CSSR) vereinbaren in Moskau den vollständigen Abzug der sowjetischen Truppen aus der Tschechoslowakei. Der größte Teil der insgesamt 73 000 Mann soll das Land bis Mai d.J. verlassen. Nach einer Unterredung zwischen dem tschechoslowakischen Präsidenten Havel und Generalsekretär Gorbatschow im Kreml wird am 26.2. bekanntgegeben, der Abzug der Truppen soll bis zum 1. Juli 1991 abgeschlossen sein.
10.2. - U d S S R / B R D. Bundeskanzler Kohl und Bundesaußenminister Genscher erörtern in Moskau mit Generalsekretär Gorbatschow und Außenminister Schewardnadse die Probleme einer Vereinigung der beiden deutschen Staaten. Nach dem kurzfristig vereinbarten Treffen im Kreml erklärt der sowjetische Regierungssprecher Gerassimow, bei der Suche nach Wegen zur "Realisierung der Idee einer eventuellen deutschen Einheit" müßten Lösungen gefunden werden, die sowohl den legitimen Interessen der beiden deutschen Staaten als auch denjenigen der Sowjetunion und der Nachbarn Deutschlands entsprächen. Außerdem müsse die VierMächte-Verantwortung für Deutschland und Berlin beachtet werden.
11.2. - S ü d a f r i k a. Der schwarze Bürgerrechtskämpfer Nelson Mandela wird nach einer Haftzeit von mehr als 27 Jahren (seit dem 5. August 1962) aus dem Victor-Verster-Gefängnis bei Kapstadt entlassen. Präsident de Klerk gibt die Entlassung, die vom staatlichen Fernsehen direkt übertragen wird, bekannt und fordert den Afrikanischen Nationalkongreß (ANC) zum Dialog mit der Regierung auf (vgl. "Blätter", 3/1990, S. 262). Zur Begrüßung Mandelas findet vor dem alten Stadthaus in Kapstadt eine Massenveranstaltung statt, an der auch führende Vertreter der Anti-Apartheid-Bewegung und des ANC teilnehmen. Mandela nimmt vom 1.-2.3. in der sambischen Hauptstadt Lusaka an einer Sitzung des Exekutivkomitees des ANC teil und wird zum Vizepräsidenten der Organisation gewählt.
12.-28.2. - N A T O / W a r s c h a u e r V e r t r a g. In der kanadischen Hauptstadt Ottawa findet eine Konferenz "Offener Himmel" ("Open Sky") statt, an der Vertreter aller 23 Mitgliedstaaten der beiden Militärbündnisse teilnehmen. Ziel der Konferenz, die im April/Mai d.J. in Budapest fortgesetzt werden soll, ist die Ausarbeitung eines Vertrages über gegenseitige Luftüberwachung. Ein erster kanadischer Testflug über ungarischem Territorium hatte im Januar d.J. stattgefunden. Der kanadische Außenminister Clark teilt mit, die USA und die UdSSR seien entsprechend einem Vorschlag von Präsident Bush vom 31. Januar d.J. (vgl. "Blätter", 3/1990, S. 262) übereingekommen, ihre in Mitteleuropa stationierten Truppen auf je 195 000 Mann zu begrenzen. Die USA könnten zusätzlich 30 000 Mann in Südeuropa und Großbritannien stationieren. Am Rande der Konferenz kommt es zwischen den Außenministern der beteiligten Staaten auch zu Verhandlungen über die "deutsche Frage". 15.2. - D D R. Minister Eppelmann (Demokratischer Aufbruch) verliest im Fernsehen eine kurze Erklärung des früheren Staatsratsvorsitzenden Honecker (zum Rücktritt vgl. "Blätter", 12/1989, S. 1418 f.), in der sich Honecker "zu der politischen Verantwortung für die Krise" bekennt, "in die der Staat und die Bevölkerung der DDR geraten sind". Dies betreffe "auch die Umstände, die letztlich zu der Fälschung der Wahlergebnisse vom 7. Mai 1989 führten". Er fühle sich jedoch "frei von jeder Schuld im strafrechtlichen Sinne". - Vom 22.-25.2. findet in Markkleeberg bei Leipzig der erste Parteitag der SPD der DDR statt (zur Gründung vgl. "Blätter", 12/1989, S. 1418 f.). Zum Vorsitzenden der Partei wählen die Delegierten den bisherigen Geschäftsführer Ibrahim Böhme, den Ehrenvorsitz übernimmt Willi Brandt, der damit Ehrenvorsitzender der Sozialdemokratischen Parteien in beiden deutschen Staaten ist. - Am 25.2. kündigt Ministerpräsident Modrow auf dem ersten Parteitag der PDS in Berlin die Übernahme der Spitzenkandidatur für die Volkskammerwahlen an. Modrow wird vom Amt des stellvertretenden Parteivorsitzenden entbunden (vgl. "Blätter", 2/1990, S. 132) und zum PDS-Ehrenvorsitzenden gewählt. - Am 5.3. liegt dem "Runden Tisch" in Berlin der Entwurf einer Sozialcharta vor, die als Standpunkt der DDR in die Verhandlungen mit der Bundesrepublik eingebracht werden soll. Das Papier formuliert u.a. das Recht auf Arbeit, auf Wohnen, auf Bildung und medizinische Grundversorgung.
17.2. - K u b a. Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei kündigt Reformen an, "um das politische und institutionelle System der Nation zu perfektionieren". Das System der Einheitspartei, die sich "auf den Prinzipien des demokratischen Zentralismus gründet", solle jedoch beibehalten werden.
- T s c h e c h o s l o w a k e i. Der frühere Präsident Husak (zum Rücktritt vgl. "Blätter", 2/1990, S. 132 f.) wird zusammen mit anderen langjährigen Funktionären von Partei und Staat aus der KP der Tschechoslowakei ausgeschlossen. Die staatliche Nachrichtenagentur CTK meldet, der Beschluß folge der Empfehlung einer Sonderkommission, die die Fehlentwicklungen der Vergangenheit untersuche. - Am 20.2. besucht Präsident Havel als erstes amtierendes Staatsoberhaupt der Tschechoslowakei einen amerikanischen Präsidenten; Bush empfängt Havel im Weißen Haus in Washington.
25.2. - N i k a r a g u a. Aus den Wahlen zum Parlament und zur Präsidentschaft geht die Oppositionskandidatin Violeta Barrios de Chamorro als Siegerin hervor. Der Oberste Wahlrat teilt nach der Auszählung mit, das Oppositionsbündnis (UNO) unter Frau Chamorro habe 54,7%, die regierende Sandinistische Befreiungsfront (FSLN) unter dem amtierenden Präsidenten Daniel Ortega habe 40,8% der Stimmen erhalten. Im Parlament (90 Abgeordnete) verfügt die UNO über 51, die FSLN über 38 Mandate.
- U S A / B R D. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz nach Abschluß zweitägiger Beratungen in Camp David befürworten Präsident Bush und Bundeskanzler Kohl die NATO-Mitgliedschaft eines vereinigten Deutschland. Bush erklärt, amerikanische Truppen sollten auch weiterhin in Europa und in Deutschland stationiert bleiben, das "frühere Staatsgebiet der DDR" solle jedoch "einen militärischen Sonderstatus" ("a special military status") erhalten, der "die legitimen Sicherheitsinteressen aller interessierten Länder einschließlich der Sowjetunion mit berücksichtigt". Auf eine Frage zur Westgrenze Polens antwortet der Bundeskanzler, die Grenzfrage werde "endgültig durch eine freigewählte gesamtdeutsche Regierung und ein freigewähltes gesamtdeutsches Parlament zu regeln sein".
1.3. - F r a n k r e i c h. Außenminister Dumas setzt sich in einer Rede in Berlin für eine klare vertragliche Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze durch Bundestag und Volkskammer noch vor einer Vereinigung der beiden deutschen Staaten ein. Dumas erklärt wörtlich: "Es gibt Augenblicke, in denen das Schweigen mißverständlich ist." Europa brauche eine Friedensordnung, um sich der Dauerhaftigkeit der deutschen Verpflichtung gewiß sein zu können.
2.3. - K S Z E. Die Vertreter von neun neutralen und blockfreien Teilnehmerstaaten der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) fordern auf einer Zusammenkunft in Valletta (Malta) die Einberufung eines KSZE-Gipfeltreffens noch in diesem Jahr. Auf dieser Konferenz solle auch über die Frage der deutschen Vereinigung "im Zusammenhang mit dem KSZE-Rahmen und den besonderen Interessen der betroffenen Staaten" gesprochen werden.