Ausgabe Februar 1990

Die Chancen offener Zweitstaatlichkeit

Thesen einer Gruppe von Politikwissenschaftlern des Instituts für Internationale Politik und Wirtschaft (IPW) vom Dezember 1989 (Wortlaut)

1. Der Weg der konsequenten Erneuerung der gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR, aufbauend auf der gleichberechtigten Zusammenarbeit aller Interessengruppen, auf einer freien selbstbestimmten Entwicklung des Menschen, ist der Weg zur Wahrnehmung des Selbstbestimmungsrechtes des Volkes der DDR.

Mit freien, gleichen, allgemeinen und geheimen Wahlen in der DDR, mit der Schaffung einer neuen, durch das Volk angenommenen Verfassung wird die Legitimation der DDR als demokratischer und souveräner deutscher Staat auf eine neue Grundlage gestellt. Verbunden mit ehrlicher und angestrengter Arbeit in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ist dies der einzige Weg zur Sicherung der Existenz der DDR; es ist zugleich der einzige Weg, eine auf Frieden nach innen und außen, auf der Freiheit des einzelnen, mit der die Freiheit des Mitbürgers nicht eingeschränkt wird, auf Wirtschaftsdemokratie und hoher Leistungsfähigkeit, die nicht zu Lasten der sozialen Sicherheit geht, auf realer Mitmenschlichkeit, die Kinderfreundlichkeit, weite Entwicklungsräume für die Jugend und die uneingeschränkte Gleichberechtigung der Frauen einschließt, beruhende gesellschaftliche Alternative zur Bundesrepublik Deutschland zu entwickeln. Mit einer solchen selbstbestimmten Entwicklung wird die über Jahrzehnte erduldete innere Bevormundung beendet. Sie will und darf durch keine äußere Bevormundung ersetzt werden. Das Volk der DDR will sich durch andere Völker und Staaten in seiner selbstbestimmten Entwicklung respektiert sehen.

2. Die DDR steht vor der doppelten Aufgabe, das Selbstbestimmungsrecht des Volkes in diesem Sinne zu verwirklichen und zugleich die Beziehungen zur BRD als dem anderen deutschen Staat, seinem unmittelbaren westlichen Nachbarn und Koexistenzpartner, in qualitativ neuer Weise zu entwickeln. Es geht darum, in den Fragen des Friedens, der Abrüstung, der politischen und ökonomischen Zusammenarbeit, bei der Gestaltung der humanitären Beziehungen, faktisch also auf allen Gebieten staatlichen Zusammenwirkens zu einer qualifizierten Partnerschaft zu gelangen, die in ihrem Inhalt sowie in der Art und Weise ihrer institutionellen Ausgestaltung sowohl über das bisher miteinander Erreichte als auch über das hinausgeht, was in den Beziehungen zwischen souveränen Staaten als Normalfall betrachtet wird. [...]

 

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