Ein Gespräch mit Gregor Gysi Rückblick auf eine "Vereinigung"
Blätter: Wie sehen Sie, kurz vor Toresschluß, den Prozeß der sogenannten Vereinigung? In seinem absehbaren Ergebnis und in seinen Etappen? Hat es da irgendwo Alternativen gegeben? Und wie sehen Sie die Perspektiven?
Gregor Gysi: Nach außen und formal hat der Vereinigungsprozeß ja zwei Seiten. Das eine war die Währungsunion und damit in irgendeiner Form der Versuch der wirtschaftlichen Vereinigung. Das Zweite ist der Beitritt und damit die staatsrechtliche Vereinigung. Meines Erachtens hat man sich zu wenig Gedanken darüber gemacht, wie die Menschen zueinanderfinden sollen. Hier sind Mauern aufgebaut, verschiedenster Art, sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik, die nicht abgetragen worden sind. Und da kommen, glaube ich, gewaltige psychologische und soziale Probleme auf uns zu. Ich befürchte sogar, daß es Menschen in der DDR geben wird, die daran krank werden...
Das Tempo dieses Einigungsprozesses ist im wesentlichen bestimmt worden durch die in Panik getroffene Entscheidung der Öffnung der Grenzen am 9. November. Was nicht bedeuten soll, daß ich etwa gegen die Öffnung der Grenzen bin, sondern nur, daß man eine solche Maßnahme nicht unvorbereitet und nicht konditionsfrei gestalten kann.