In den vergangenen Jahren ist der Eindruck entstanden, daß es mit der Abrüstung stetig vorangeht und daß kaum noch etwas diese Entwicklung bremsen kann, zumindest nicht in Europa und im Verhältnis der beiden atomaren Supermächte. Gorbatschows Appell von 1986, alle Atomwaffen abzuschaffen, war der Auftakt zu einem drei, vier Jahre lang währenden Feuerwerk sowjetischer Abrüstungsinitiativen. Im Jahr darauf gelang es mit dem INF-Vertrag, eine ganze Klasse von Atomwaffen weltweit abzuschaffen. Und im November letzten Jahres haben 22 europäische Staatschefs den Wien I-Vertrag unterschrieben, der ganz Europa erstmals einem Regelwerk kontrollierter Begrenzungen für die konventionelle Rüstung unterwirft. So überholt dieser Vertrag in manchem Aspekt auch schon wieder sein mag: er stellt das erste umfassende Abrüstungsregime für den europäischen Kontinent dar, ein Fundament, auf dem weitere Abrüstung aufbauen kann.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.