6.12. - N a h e r O s t e n. Der irakische Präsident Saddam Hussein ordnet die Freilassung aller ausländischen Geiseln bis Ende des Jahres an (vgl. "Blätter", 1/1991, S. 4 f.). Am gleichen Tag erklärt der amerikanische Außenminister Baker vor dem auswärtigen Ausschuß des Repräsentantenhauses, die Regierung sei "zum jetzigen Zeitpunkt" gegen die Durchführung einer internationalen Konferenz über den arabisch-israelischen Konflikt und werde eine entsprechende Resolution im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nicht unterstützen. Die Golfkrise dürfe keinesfalls mit dem Palästinaproblem verknüpft werden. - Am 9.10. teilt Sicherheitsberater Scowcroft in Washington mit, die USA hätten dem Irak vier Termine zwischen dem 20. Dezember 1990 und dem 3. Januar 1991 für einen Besuch von Außenminister Baker in Bagdad angeboten. Der vom Irak vorgeschlagene Termin, der 12. Januar, werde von der amerikanischen Regierung als "zu spät" abgelehnt (vgl. "Blätter", 1/1991, S. 103). - Am 11.12. empfängt der amerikanische Präsident Bush in Washington den israelischen Ministerpräsidenten Schamir. In Presseberichten heißt es, zwischen beiden Regierungen gebe es "Akzentunterschiede" bei der Beurteilung der Palästinafrage sowie über die Einberufung einer Nahost-Konferenz. - Am 13.12. setzt sich die Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York erneut für die Einberufung einer Nahost-Friedenskonferenz ein. Die Resolution erhalt 99 Stimmen bei 19 Gegenstimmen und 32 Enthaltungen. - Am 15.12. erklärt Präsident Saddam Hussein, Außenminister Aziz werde zunächst nicht nach Washington reisen. Gespräche mit den USA seien nur sinnvoll, wenn das Problem der von Israel besetzten arabischen Gebiete am Anfang stehe. - Am 20.12. mißbilligt der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einstimmig den Umgang Israels mit den Palästinensern in den besetzten Gebieten. Der entsprechenden Resolution stimmen auch die USA zu, die sich bei der Vorbereitung des Textes gegen jede Erwähnung einer Nahost-Friedenskonferenz ausgesprochen hatten. Nach der Abstimmung verliest der jemenitische Ratspräsident eine Erklärung, in der es heißt, die Mitglieder des Sicherheitsrates strebten einen umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden an, der "dem Recht aller Staaten der Region, einschließlich Israels, auf Sicherheit sowie den legitimen politischen Rechten des palästinensischen Volkes Rechnung trägt". Eine internationale Konferenz könne "zur geeigneten Zeit" die Bemühungen zur Erzielung des Friedens erleichtern. - Am 3.1. trifft sich Revolutionsführer Ghadhafi in dem libyschen Küstenort Misurata mit den Präsidenten Mubarak (Ägypten), Asad (Syrien) und al-Bashir (Sudan). Die libysche Nachrichtenagentur zitiert Ghadhafi mit der Bemerkung, man wolle alles tun, um "der Welt eine Tragödie zu ersparen". - Am 31.12. erklärt sich die Schweiz bereit, eine Begegnung zwischen den beiden Außenministern Baker (USA) und Aziz (Irak) in der Zeit vom 7. bis 9. Januar 1991 zu arrangieren. Ein entsprechendes Angebot hatte Präsident Bush dem Irak gemacht. Das Treffen wird nach Konsultationen auf den 9.1. in Genf festgesetzt. - Am 4.1. bekräftigen die EG-Außenminister auf einer Sonderkonferenz in Luxemburg die Forderung nach voller und bedingungsloser Erfüllung der UNResolutionen über den Rückzug des Irak aus Kuwait. Nach einer friedlichen Lösung der Golfkrise werde die Gemeinschaft sich dann aktiv an der Lösung der anderen Probleme der Region beteiligen. Eine Einladung an den irakischen Außenminister, mit seinen EGKollegen am 10.1. in Luxemburg zusammenzutreffen, wird von Aziz mit der Begründung abgelehnt, einige EG-Länder ließen sich ihre Politik von den USA diktieren. - Am 5.1. antwortet UN-Generalsekretär Perez de Cuellar auf die Frage von Journalisten, ob er eine Reise nach Bagdad plane, er werde die Situation nach der Begegnung Bakers mit Aziz in Genf neu überprüfen. Zuvor hatte der Generalsekretär in Camp David ein Gespräch mit Präsident Bush geführt.
7.12. - B u l g a r i e n. Die Nationalversammlung wählt bei 15 Gegenstimmen und 29 Enthaltungen den parteilosen Juristen Dimitar Popoff zum neuen Ministerpräsidenten. Popoff löst den bisherigen Regierungschef Lukanoff (Sozialistische Partei) ab, der am 29.11. nach anhaltenden regierungsfeindlichen Demonstrationen, vor allem in der Hauptstadt Sofia, zurückgetreten war. Die neue Regierung gilt als "Übergangskabinett" bis zu den im Frühsommer 1991 geplanten vorzeitigen Parlamentswahlen.
9.12. - P o l e n. In einem zweiten Wahlgang wird der Gewerkschaftsführer Lech Walesa zum Präsidenten der Republik gewählt. Bei einer Wahlbeteiligung von nur 53,4% entfallen auf Walesa 74,25% und auf den einzigen Gegenkandidaten, den Geschäftsmann Stanislaw Tyminski 25,75% der Stimmen. Im ersten Wahlgang am 25.11. hatten Walesa 39%, Tyminski 24% und Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki 17,5% erhalten. Mazowiecki hatte nach seiner Niederlage am 26.11. den Rücktritt vom Amt des Regierungschefs erklärt. - Am 11.12. hält der scheidende Präsident Wojciech Jaruzelski eine Abschiedsansprache im Fernsehen. Jaruzelski erklärt unter Anspielung auf das im Dezember 1981 verhängte Kriegsrecht (vgl. "Blätter", 1/1982, S. 5 f.), er habe mit allen seinen Schritten dem Lande und den Menschen "unermeßliches Leid" ersparen wollen.- Am 22.12. übernimmt Walesa mit der Vereidigung vor dem Parlament offiziell die Amtsgeschäfte. An der Zeremonie nimmt Jaruzelski nicht teil. - Am 4.1. wählt das Parlament den Wirtschaftsfachmann Jan Krzysztof Bielecki auf Vorschlag von Präsident Walesa zum neuen Ministerpräsidenten. Bielecki, der einer liberalen Partei angehört, erhält 276 Stimmen bei 58 Gegenstimmen und 52 Enthaltungen.
10.12. - S P D. Das Präsidium schlägt einstimmig den schleswigholsteinischen Ministerpräsidenten Björn Engholm als Nachfolger von Hans-Jochen Vogel im Amt des Parteivorsitzenden vor. Die Wahl soll auf einem Parteitag im Frühjahr 1991 erfolgen. Der SPD-Kanzlerkandidat, der saarländische Ministerpräsident Oskar Lafontaine, hatte unmittelbar nach der Bundestagswahl vom 2.12. die ihm angebotene Kandidatur für den Parteivorsitz abgelehnt.
10.-11.12. - U S A / U d S S R. Der sowjetische Außenminister Schewardnadse konferiert in Houston (Texas) mit seinem amerikanischen Kollegen Baker. Im Mittelpunkt stehen Abrüstungsfragen, die Lage in der Golfregion sowie die friedliche Beilegung des Angolakonflikts. Schewardnadse, der am 12.12. von Präsident Bush im Weißen Haus empfangen wird, führt am gleichen Tag in der sowjetischen Botschaft getrennte Gespräche mit dem angolanischen Außenminister Pedro de Castro van Dunem sowie erstmals mit dem Führer der angolanischen Widerstandsbewegung Jonas Savimbi über die Möglichkeit eines Waffenstillstandes zwischen den beiden Bürgerkriegsparteien. Außerdem kommt es zu einer Begegnung Schewardnadses mit dem israelischen Außenminister Schamir. - Am 19.12. teilt ein Sprecher des Außenministeriums in Moskau mit, die sowjetische Regierung habe den USA die baldige Aufnahme von Verhandlungen über die nuklearen Kurzstreckenwaffen-Systeme (SNF) vorgeschlagen. Die Verhandlungen könnten bereits im Januar 1991 auf der Ebene der stellvertretenden Außenminister beginnen. - Am 27.12. übergibt der sowjetische Botschafter Alexander Bessmertnich Präsident Bush im Weißen Haus eine Botschaft von Präsident Gorbatschow. Einzelheiten werden nicht veröffentlicht. In Presseberichten heißt es, Gorbatschow habe Bush versichert, die sowjetische Außenpolitik werde auch nach dem Rücktritt von Außenminister Schewardnadse unverändert bleiben.
11.12. - A l b a n i e n. Das Zentralkomitee der regierenden Albanischen Arbeiterpartei faßt auf einer Sondersitzung in Tirana den Beschluß, künftig unabhängige politische Organisationen zuzulassen. Fünf von elf Mitgliedern scheiden aus dem Politbüro aus.
14.-15.12. - E G. Unter Vorsitz der italienischen Präsidentschaft treten in Rom die Staats- und Regierungschefs zu einem "Europäischen Rat" zusammen, um die Weiterentwicklung der Europäischen Gemeinschaften zu einer Wirtschafts- und Währungsunion sowie zu einer Politischen Union zu erörtern. Zu beiden Themen wird je eine Regierungskonferenz eingesetzt, mit dem Auftrag, den "institutionellen Rahmen" für eine Europäische Union festzulegen. In seinen "Schlußfolgerungen" empfiehlt der Rat, "eine künftige Rolle der Union in Verteidigungsfragen" zu prüfen, "unbeschadet bestehender Verpflichtungen einiger Mitgliedstaaten in diesem Bereich". - Am 1.1. übernimmt Luxemburg die Präsidentschaft für das erste Halbjahr 1991. Als amtierender Ratspräsident schaltet sich Außenminister Poos in die Bemühungen um eine friedliche Lösung der Golfkrise ein.
17.12. - U d S S R. In Moskau beginnt eine neue Session des Kongresses der Volksdeputierten. In einer ausführlichen Rede legt Präsident Gorbatschow seine Vorstellungen von einer Straffung der Führungsstrukturen und dem Aufbau eines Präsidialsystems dar. Außerdem schlägt Gorbatschow eine Volksabstimmung über den neuen Unionsvertrag vor. - Am 20.12. kündigt Außenminister Schewardnadse vor dem Kongreß der Volksdeputierten überraschend seinen Rücktritt an (vgl. "Dokumente zum Zeitgeschehen"). In einer kurzen Rede warnt der Minister vor der Gefahr einer Diktatur in der UdSSR, wobei niemand wisse, welcher Art dieser Diktatur und wer der Diktator sein werde: "Mein Rücktritt ist meine Flagge, die meinen Protest gegen die fortschreitende Diktatur signalisieren soll." Schewardnadse erklärt weiter, er fühle sich seit langem dem Druck verschiedener Gruppen vor allem aus Kreisen der Militärs ausgesetzt. Er sei ein "Freund Gorbatschows" und Anhänger der Reformpolitik, müsse aber vor einer Abtretung von Rechten der gewählten Volksvertretungen den Präsidenten warnen. Gorbatschow verurteilt vor den Delegierten die Entscheidung des Außenministers, der ihn zuvor "nicht konsultiert" habe. Von mehreren Rednern wird Schewardnadse aufgefordert, im Amt zu bleiben. - Am 25.12. billigt der Kongreß der Volksdeputierten weitreichende Verfassungsänderungen, darunter die Schaffung des Amtes eines Vizepräsidenten sowie die Neustrukturierung der Regierung. Präsident und Vizepräsident sollen nach Ablauf der ersten Amtsperiode von Präsident Gorbatschow (erstmals in vier Jahren) direkt vom Volk gewählt werden. Mit 1605 gegen 54 Stimmen bei 86 Enthaltungen votiert der Kongreß für den von Gorbatschow vorgelegten neuen Unionsvertrag, der noch von den Republiken ratifiziert werden muß. - Am 27.12. wählen die Volksdeputierten Gennadi Janajew zum Vizepräsidenten der UdSSR. Janajew erhält mit 1237 Stimmen erst im zweiten Wahlgang die vorgeschriebene Mehrheit von 1120 Stimmen.
17.-18.12. - N A T O. Zur Eröffnung einer Ministertagung des Nordatlantikrats in Brüssel vertritt Generalsekretär Wörner die Ansicht, eine neue europäische Ordnung, die auch die Sowjetunion und die Staaten Ostmitteleuropas umfasse, müsse sich auf vier Pfeiler stützen: die NATO, die Europäischen Gemeinschaften, den KSZE-Prozeß sowie den Europarat. Neben einem Kommuniqué wird eine "Erklärung zum Golf" verabschiedet, in der es u.a. heißt, es liege "in der Verantwortung der irakischen Regierung, durch uneingeschränkte Befolgung der verbindlichen Beschlüsse der Vereinten Nationen den Frieden zu sichern". Am 2.1. gibt der Ausschuß für Verteidigungsplanung (DPC) einem Antrag der türkischen Regierung statt, Einzelheiten der multinationalen NATO-Eingreiftruppe (Allied Mobile Force/AMF) in den Südosten der Türkei zu verlegen. Der Verband soll aus Flugzeugen der belgischen, deutschen und italienischen Luftwaffe bestehen. In einer Mitteilung über die Sitzung des Ausschusses in der belgischen Hauptstadt heißt es, Ziel der Aktion sei es, "die kollektive Solidarität und Entschlossenheit der Allianz im Hinblick auf jede mögliche Gefahr für alliiertes Territorium" zu demonstrieren.
19.12. - B u n d e s r e g i e r u n g. Der Bundesminister ohne Geschäftsbereich, der ehemalige DDR-Ministerpräsident Lothar de Maiziere (CDU), scheidet auf eigenen Antrag aus der Bundesregierung aus (zur Ernennung vgl. "Blätter", 11/1990,S. 1286). De Maiziere hatte zuvor die öffentlich erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen, er sei informeller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR gewesen.
20.12. - B u n d e s t a g. Im Gebäude des ehemaligen Reichstags in Berlin konstituiert sich der 12. Deutsche Bundestag (zur Wahl am 2.12. d.J. vgl. "Blätter", 1/1991, S. 6). Die Sitzung wird vom Alterspräsidenten Willy Brandt (SPD) eröffnet. Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth (CDU) wird mit 525 gegen 81 Stimmen bei 44 Enthaltungen im Amt bestätigt.
4.-5.1. - R G W. Auf der 134. Sitzung des Exekutivkomitees des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW/COMECON) in Moskau wird beschlossen, den seit 1949 bestehenden Rat aufzulösen und durch eine "Organisation für Internationale Wirtschaftliche Zusammenarbeit" (OIWZ/OMEO) zu ersetzen. Zur Gründungskonferenz der neuen Organisation im Februar 1991 in Budapest sollen als "Rechtsnachfolgerin" der DDR "im Wirtschaftsbereich" die Bundesrepublik Deutschland sowie Vertreter der Europäischen Gemeinschaften eingeladen werden. Nach dem Ausscheiden der DDR gehören dem RGW an: UdSSR, Polen, CSFR, Ungarn, Bulgarien und Rumänien sowie Kuba, die Mongolei und Vietnam.