Irland ist seit einigen Tagen - seit dem Händedruck im Stollen des neuen Ärmelkanaltunnels - die letzte „richtige" Inselnation Europas. Dieses Inseldasein drückte sich im zurückliegenden Jahrzehnt vor allem in der Beflissenheit aus, dem polnischen Papst in vorauseilendem Gehorsam jeden auch noch so scholastischen Wunsch von den Lippen abzulesen und seinen familienrechtlichen Kanon in Verfassung und Gesetz zu verankern.
Seit der Wahl der aufgeklärten Anwältin Mary Robinson ins höchste Staatsamt der Republik - und erst recht seit ihrem Amtsantritt am 3. Dezember - atmen die mit Niederlage, Demütigung und Resignation sattsam vertrauten Liberalen Irlands wieder freier: Die Zukunft, so scheint es, ist plötzlich wieder machbar geworden; Irland ist offenbar doch nicht dazu verdammt, auf ewig spöttische Schlagzeilen wegen rarer Präservative zu machen. Immerhin lohnt es sich, in diesem Zusammenhang festzuhalten, daß noch im Februar 1985 die Regierung FitzGerald um ein Haar gescheitert wäre, weil sie gegen den erklärten Willen der katholischen Kirche ein Gesetz durchs Parlament peitschte, wonach das Vorweisen eines Trauscheins beim Erwerb eines Parisers nicht mehr erforderlich sei. Gut ein Jahr später schmetterten die irischen Wähler mit Zweidrittelmehrheit die Einführung der zivilen Ehescheidung ab.