6.11. - E u r o p a r a t. Als erstes osteuropäisches Land wird Ungarn Vollmitglied des Europarates. Die Aufnahme erfolgt während einer Sitzung des Ministerrats der Organisation in Rom.
- Ö s t e r r e i c h. Die Regierung stellt in einem Beschluß fest, im Hinblick auf den "Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland" vom 12. September 1990 (Text in "Blätter", 11/1990, S. 1389) seien einige militärische Bestimmungen des österreichischen Staatsvertrages aus dem Jahre 1955 "obsolet". Eine entsprechende Mitteilung wird den übrigen vier Signatarstaaten des Staatsvertrages (Frankreich, Großbritannien, UdSSR, USA) zugeleitet. In dem Beschluß heißt es ausdrücklich, Österreich werde an dem Verzicht auf atomare, biologische oder chemische Waffen festhalten.
8.11. - N a h e r O s t e n. Präsident Bush ordnet erneut eine massive Verstärkung der gegenwärtig im Golf stationierten 230 000 amerikanischen Soldaten an. In Presseberichten ist von weiteren 150 000 Mann die Rede, darunter drei Panzerdivisionen und drei Flugzeugträger mit ihren Begleitschiffen. Zusätzliche Truppen sollten vor allem aus der Bundesrepublik nach Saudiarabien verlegt werden. - Am 10.11. beendet der amerikanische Außenminister Baker eine einwöchige diplomatische Mission, in deren Verlauf er in Bahrein, Saudiarabien, Ägypten, der Türkei, der Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich Gespräche über die Golfkrise geführt hatte. Auf einer Pressekonferenz in Paris erklärt Baker, er sei sich mit seinem Gesprächspartner darin einig gewesen, daß es zur Lösung dieser Krise keine "Teillösung" geben könne. Nach einem Treffen Bakers mit seinem sowjetischen Kollegen Schewardnadse hatten beide Außenminister am 8.11. vor der Presse in Moskau ihren Willen unterstrichen, eine friedliche Lösung am Golf anzustreben, jedoch seien "andere Optionen" nicht auszuschließen. Baker war am 7.11. auch von Präsident Gorbatschow empfangen worden. - Am 12.11. lehnt der Irak den Vorschlag des marokkanischen Königs Hassan ab, eine arabische Gipfelkonferenz zur Abwendung der Kriegsgefahr am Golf einzuberufen. In Bagdad heißt es dazu, ein solcher Gipfel könne nur Zwietracht unter den Arabern säen. Ein Dialog über die Sicherheit in der Region müsse sich vor allem mit dem israelisch-arabischen Konflikt befassen. Der marokkanische Vorschlag wird auch von Ägypten und Syrien verworfen. - Am 18.11. kündigt Präsident Saddam Hussein an, alle im Irak und in Kuwait festgehaltenen rd. 2000 ausländischen Staatsbürger sollten in einem Zeitraum von drei Monaten freigelassen werden. Die Aktion soll am 25. Dezember d.J. beginnen und am 25. März 1991 abgeschlossen sein. - Am 19.11. meldet die irakische Nachrichtenagentur INA die Entsendung weiterer 200 000 irakischer Soldaten nach Kuwait. Gleichzeitig werden in Bagdad Meldungen über den Bau einer eigenen Atomwaffe dementiert. - Vom 19.-21.11. ist die Golfkrise das Thema zahlreicher Gespräche am Rande des KSZE-Gipfels in Paris. Der amerikanische Präsident Bush trifft den sowjetischen Präsidenten Gorbatschow, Außenminister Baker konferiert mit Außenminister Schewardnadse. - Am 21.11. reist Bush in den Nahen Osten, wo er mit König Fahd von Saudiarabien, mit dem im Exil lebenden Emir von Kuwait as-Sabah sowie mit dem ägyptischen Präsidenten Mubarak zusammentrifft. In Genf führt Bush am 23.11. ein Gespräch mit dem syrischen Präsidenten Asad. - Am 26.11. erklärt Präsident Gorbatschow in Moskau gegenüber dem irakischen Außenminister Aziz, wenn der Irak das Schlimmste verhüten wolle, müsse er Kuwait verlassen und die Geiseln freilassen. Präsident Saddam Hussein solle seine Position noch einmal überdenken. - Am 29.11. fordert der UN-Sicherheitsrat den Irak erneut auf, die bisherigen Beschlüsse der Vereinten Nationen zu erfüllen und seine Truppen aus Kuwait zurückzuziehen. Der Rat setzt dafür eine Frist bis zum 15. Januar 1991 und bevollmächtigt seine Mitglieder, "alle notwendigen Mittel einzusetzen" ("to use all necessary means"), um Frieden und Sicherheit in der Region wiederherzustellen. Die entsprechende Resolution (Text in "Dokumente zum Zeitgeschehen"), die auf einen Entwurf der USA zurückgeht, wird mit 12 von 15 Stimmen angenommen. China, das als ständiges Mitglied über ein Vetorecht verfügt, enthält sich der Stimme, Gegenstimmen kommen von Kuba und dem Jemen. - Am 30.11. begrüßt Präsident Bush auf einer Pressekonferenz in Washington die Annahme der Resolution des Sicherheitsrats vom Vortag und erklärt seine Bereitschaft, Außenminister Baker nach Bagdad zu entsenden und den irakischen Außenminister Aziz in Washington zu empfangen. Ergänzend heißt es dazu aus dem State Department, die Regierung wolle mit dem Irak "Gespräche" ("talks"), jedoch keine "Verhandlungen" ("negotiations") führen.
- B R D / P o l e n. Bundeskanzler Kohl trifft in Frankfurt/Oder mit dem polnischen Ministerpräsidenten Mazowiecki zusammen. Im Mittelpunkt des Meinungsaustausches steht die weitere Entwicklung der Beziehungen zwischen dem vereinten Deutschland und der Republik Polen auf der Grundlage der "Gemeinsamen Erklärung" vom 14. November d. J. (Text in "Blätter", 12/1989, S. 1519 ff.). - Am 14.11. unterzeichnen die Außenminister Skubiszewski und Genscher in Warschau einen "Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Bestätigung der zwischen ihnen bestehenden Grenze" (Text in "Blätter", 12/1990, S. 1518 f.).
- T h ü r i n g e n. Der neue Landtag (vgl. "Blätter", 12/1990, S. 1419 f.) wählt in der provisorischen Landeshauptstadt Erfurt Josef Duchac (CDU) zum neuen Ministerpräsidenten. Duchac, der an der Spitze einer Koalitionsregierung von CDU und FDP steht, erhält 52 von 87 abgegebenen Stimmen bei 30 Gegenstimmen und fünf Enthaltungen.
9.-10.11. - B R D / U d S S R. Der sowjetische Präsident Gorbatschow kommt zu einem Besuch in die Bundesrepublik. Gorbatschow und Bundeskanzler Kohl unterzeichnen am 9.11. in Bonn den am 13. September d.J. in Moskau paraphierten "Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit" (Text in "Blätter", 11/1990, S. 1394 ff.). Außerdem werden ein Vertrag über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wirtschaft, Industrie, Wissenschaft und Technik sowie ein Abkommen über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Arbeits- und Sozialwesens abgeschlossen.
15.11. - B e r l i n (W e s t). Die Alternative Liste (AL) verläßt die Koalition (vgl. "Blätter", 5/1989, S. 517); damit ist der Senat unter dem Regierenden Bürgermeister Momper (SPD) ohne parlamentarische Mehrheit. Anlaß des Bruchs der rotgrünen Koalition sind Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit der gewaltsamen Räumung besetzter Häuser im östlichen Teil der Stadt.
- B u l g a r i e n. Das Parlament billigt mit großer Mehrheit eine Verfassungsänderung, nach der der offizielle Staatsname künftig "Republik Bulgarien" lautet. In der Begründung heißt es, die bisherige Bezeichnung "Volksrepublik Bulgarien" sei durch die Vergangenheit kompromittiert worden.
18.11. - B R D / U S A. Auf dem Weg zum KSZE-Gipfel in Paris macht Präsident Bush Station in der Bundesrepublik. Im Mittelpunkt eines Gesprächs mit Bundeskanzler Kohl in dessen Privathaus in Rheinland-Pfalz stehen die Golfkrise sowie die Koordinierung westlicher Wirtschaftshilfe für die UdSSR. Bush hatte zuvor Prag besucht.
19.11. - N A T O / W a r s c h a u e r P a k t. Die Staats- und Regierungschefs der 16 Mitglieder der NATO und der sechs Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages unterzeichnen am Rande des KSZE-Gipfels in Paris einen umfangreichen "Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa" sowie eine "Gemeinsame Erklärung von zweiundzwanzig Staaten", die ihre gegenseitigen Beziehungen auf eine neue Grundlage stellt (vgl. "Dokumente zum Zeitgeschehen"). Der Vertrag, der im Rahmen des KSZE-Prozesses ausgearbeitet wurde (zum Mandat vgl. "Blätter", 3/1989, S. 378 ff.), setzt Höchstgrenzen für die folgenden fünf Waffenkategorien fest: Kampfpanzer, gepanzerte Kampffahrzeuge, Artillerie, Kampfflugzeuge und Kampfhubschrauber. Besondere Protokolle regeln das Verfahren zur Reduzierung von durch den Vertrag begrenzten konventionellen Waffen und Ausrüstungen sowie gegenseitige Inspektionen. Zur Durchführung des Vertrages wird eine "Gemeinsame Beratungsgruppe" eingesetzt, die mindestens zweimal jährlich zusammentreten soll. Bestandteil des Vertrages ist auch die Verpflichtung des vereinten Deutschland, seine Streitkräfte innerhalb von vier Jahren auf 370 000 Mann zu verringern (vgl. "Blätter", 10/1990, S. 1158). Bundeskanzler Kohl nennt am 22.11. im Bundestag die deutschen Reduzierungsquoten: Panzer um 42%, gepanzerte Kampffahrzeuge um 64%, Artillerie um 42%, Kampfflugzeuge um 16% und Kampfhubschrauber um 14%.
19.-21.11. - K S Z E. Die Staats- und Regierungschefs der 34 Teilnehmerstaaten der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa halten in der französischen Hauptstadt ein Gipfeltreffen ab. Wichtigstes Ergebnis ist die Unterzeichnung einer "Charta von Paris für ein neues Europa" (Text in "Dokumente zum Zeitgeschehen"). Erstmals trägt ein KSZE-Dokument auch die Unterschrift eines Präsidenten der EG-Kommission. Ein besonderes Zusatzdokument zur Durchführung einiger Bestimmungen der Charta enthält Verfahrensregeln und organisatorische Modalitäten für neue Strukturen und Institutionen des KSZE-Prozesses, darunter ein KSZE-Sekretariat (Sitz in Prag), ein Konfliktverhütungszentrum (Sitz in Wien), sowie ein Büro für freie Wahlen (Sitz in Warschau). Ein Rat, der sich aus den Außenministern der Teilnehmerstaaten zusammensetzt, soll als zentrales "Forum für regelmäßige politische Konsultationen" mindestens einmal jährlich zusammentreten. Das erste Treffen des Rates soll in Berlin stattfinden.
20.11. - G r o ß b r i t a n n i e n. Bei der Neuwahl der Führung der Unterhausfraktion der regierenden Konservativen (372 Abgeordnete) verfehlt Premierministerin Thatcher mit 204 Stimmen knapp die im ersten Wahlgang vorgeschriebene Mehrheit. Auf den einzigen Gegenkandidaten, den ehemaligen Verteidigungsminister Heseltine, entfallen 152 Stimmen, 16 Abgeordnete enthalten sich der Stimme. Hintergrund der Auseinandersetzungen in der Regierungspartei sind vor allem Meinungsverschiedenheiten über die Europapolitik. Im zweiten Wahlgang am 27.11., bei dem Frau Thatcher nicht mehr antritt, bewerben sich drei Kandidaten: für Schatzkanzler John Major werden 185 (49,7%), für Michael Heseltine 131 (35,2%) und für Außenminister Douglas Hurd 56 (15,1%) Stimmen abgegeben. Nach der Auszählung verzichten Heseltine und Hurd auf eine weitere Kandidatur, John Major gilt damit als gewählt und übernimmt am 28.11. das Amt des Premierministers.
2.12. - B u n d e s t a g. Bei den Wahlen zum ersten Parlament des vereinten Deutschland, die nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in zwei Wahlgebieten (Bundesrepublik und ehemalige DDR) mit getrennter Anwendung der Fünf-Prozent Klausel stattfinden, kann die Regierungskoalition von CDU/CSU und FDP ihre parlamentarische Mehrheit ausbauen; einen Zuwachs verzeichnen vor allem die Freien Demokraten. Der Stimmenanteil der SPD geht leicht zurück, die Grünen scheitern im westlichen Wahlgebiet mit 4,8% an der Fünf-Prozent-Klausel und müssen aus dem Parlament ausscheiden. Im östlichen Wahlgebiet überwinden die PDS mit 11,1% und das Bündnis '90/Grüne mit 6,1 % die Sperrklausel und erhalten damit Mandate im Bundestag. Die Wahlbeteiligung erreicht mit 77,8% einen besonderen Tiefstand. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis entfallen (Zweitstimmen in %) auf die im Bundestag vertretenen Parteien: SPD 33,5 CDU/CSU 43,8 (davon CSU 7,1), FDP 11,0, PDS 2,4, B '90/ Grüne 1,2. Zusammensetzung des 12. Deutschen Bundestages (662 Abgeordnete, davon 127 aus den fünf östlichen Bundesländern und 28 aus Berlin): CDU/CSU 319 (davon CSU 51), SPD 239, FDP 79, PDS 17, B '90/Grüne 8. (Zu den Ergebnissen der Wahl zum 11. Deutschen Bundestag vom 25. Januar 1987 vgl. "Blätter", 1/1988, S. 123 ff.; zur Wahl der Volkskammer am 8. März 1990 vgl. "Blätter", 5/1990, S. 516 f.).
- B e r l i n. Die CDU, bisher in der Opposition, geht aus den Wahlen zum Gesamtberliner Landesparlament (Abgeordnetenhaus) als stärkste Partei hervor und meldet noch am Wahlabend ihren Anspruch auf die Senatsbildung an. SPD und Alternative Liste, die bis zum 15.11. gemeinsam regiert hatten, müssen starke Verluste hinnehmen. Die FDP kehrt in das Abgeordnetenhaus zurück, die Repubikaner scheitern mit 3,1 % deutlich an der Fünf-Prozent-Klausel und scheiden aus dem Parlament aus. Neu im Abgeordnetenhaus sind die PDS sowie das Bündnis '90/Grüne, das nur in einem der beiden Wahlgebiete (Ostberlin) kandidiert und die vorgeschriebenen 5% erreicht hatte. Die Wahlbeteiligung liegt bei 81,0%. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis entfallen (Zweitstimmen in %) auf CDU 40,3, SPD 30,5, AL 5,0, B '90/Grüne 4,4, FDP 7,1, PDS 9,2. Zusammensetzung des neuen Abgeordnetenhauses (240 Abgeordnete): CDU 100, SPD 76, AL 12, B '90/Grüne 11, FDP 18, PDS 23. (Zu den Ergebnissen der Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin/West vom 29. Januar 1989 vgl. "Blätter", 1/1990, S. 125.)