Über die Zukunft der amerikanischen Außenpolitik
Der amerikanische Historiker und Ökonom Gabriel Kolko (geb. 1932) ist einer der herausragenden Vertreter der von William A. Williams begründeten „revisionistischen Schule". Diese Schule stellte die „orthodoxe" Sicht der Entstehung des Kalten Krieges in Frage, derzufolge die militärische Expansion der USA nach dem Zweiten Weltkrieg die pragmatische Antwort auf die ideologisch fundierte Aggressivität der Sowjetunion und deren hegemoniale Ambitionen gewesen sei. Professor Kolko lehrt an der York University in Toronto/Kanada. D. Red.
Die großen Veränderungen, die sich in den vergangenen zwei Jahren in der Welt vollzogen haben, kamen so schnell und unerwartet, daß viele wichtige Reaktionen der Vereinigten Staaten zögerlich, improvisiert und nur teilweise gut durchdacht waren. Schaut man sich die Äußerungen und Überlegungen der offiziellen Stellen oder der wenigen Mitglieder des außenpolitischen Establishments näher an, zeigt sich, daß die Bush-Regierung selbst in einer Zeit, in der die Sowjetunion ein politisches und soziales Trauma erlebt, eine Außenpolitik betreibt, bei der sich die traditionellen ideologischen Wahrheiten und militaristischen Impulse mit tiefgehenden Zweifeln hinsichtlich der Zukunft mischen.