Ausgabe Juni 1991

Dokumente zum Konflikt um den deutsch-polnischen Vertrag:

Textentwurf des deutsch-polnischen Vertrages (Auszug), Briefentwurf von Außenminister Genscher an den polnischen Außenminister Skubiszewski (Wortlaut), Erklärung der Deutsch-Polnischen Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland e.V. zum bevorstehenden Abschluss eines umfassenden deutsch-polnischen Vertrags (Wortlaut)

Am deutsch-polnischen Vertrag, der im Entwurf vorliegt, hat sich ein heftiger innenpolitischer Konflikt entzündet. Der Vertragsentwurf ist inzwischen durch eine Textdokumentation der „Welt" vom 15. Mai 1991 bekannt geworden, aus der wir die folgenden Auszüge veröffentlichen, die den Status der deutschen Minderheit in Polen betreffen. Über die bundesdeutsche Interessenlage gibt der Briefentwurf Außenminister Genschers Aufschluß (ebenfalls in der „Welt", 15.5., veröffentlicht). Auf dem Umweg über den Adressaten des Schreibens, den polnischen Außenminister Skubiszewski, soll offenbar versucht werden, die innerdeutschen Vorbehalte aus der Welt zu schaffen - und zugleich den polnischen Verhandlungspartner in die Pflicht zu nehmen. Der gesamte Vorgang belegt die Aktualität der abschließend angefügten Erklärung der Deutsch-Polnischen Gesellschaft zum Vertragswerk. D. Red.

Artikel 20

Die Angehörigen der deutschen Minderheit in der Republik Polen, das heißt Personen polnischer Staatsangehörigkeit, die deutscher Abstammung sind oder die sich zur deutschen Sprache, Kultur oder Tradition bekennen, sowie Personen deutscher Staatsangehörigkeit in der Bundesrepublik Deutschland, die pohlischer Abstammung sind oder die sich zur polnischen Sprache, Kultur oder Tradition bekennen, haben das Recht, einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen Mitgliedern ihrer Gruppe ihre ethnische, kulturelle, sprachliche und religiöse Identität frei zum Ausdruck zu bringen, zu bewahren und weiterzuentwickeln, frei von jeglichen Versuchen, gegen ihren Willen assimiliert zu werden.

Die Vertragsparteien erklären, daß die in Absatz 1 genannten Personen insbesondere das Recht haben, einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen Mitgliedern ihrer Gruppe
- sich privat und in der Öffentlichkeit ihrer Muttersprache frei zu bedienen,
- ihre eigenen Bildungs-, Kultur- und Religionseinrichtungen, -Organisationen oder -Vereinigungen zu gründen und zu unterhalten, die um freiwillige Beiträge finanzieller oder anderer Art sowie öffentliche Unterstützung im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften ersuchen können und gleichberechtigten Zugang zu den Medien ihrer Region haben,
- sich zu ihrer Religion zu bekennen und diese auszuüben, einschließlich des Erwerbs und Besitzes sowie der Verwendung religiösen Materials, und den Religionsunterricht in ihrer Muttersprache abzuhalten,
- untereinander ungehinderte Kontakte innerhalb des Landes sowie Kontakte über Grenzen hinweg mit Bürgern anderer Staaten herzustellen und zu pflegen, mit denen sie eine gemeinsame ethnische oder nationale Herkunft, ein gemeinsames kulturelles Erbe oder religiöses Bekenntnis teilen,
- ihre Vor- und Familiennamen in Form der Muttersprache zu führen,
- Organisationen oder Vereinigungen in ihrem Land einzurichten und zu unterhalten und in internationalen nichtstaatlichen Organisationen mitzuarbeiten,
- sich wie jedermann wirksamer Rechtsmittel zur Verwirklichung ihrer Rechte im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften zu bedienen.

Die Vertragsparteien bekräftigen, daß die Zugehörigkeit zu den in Absatz 1 genannten Gruppen Angelegenheit der persönlichen Entscheidung eines Menschen ist, die für ihn keinen Nachteil mit sich bringen darf. [...]

 

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