Doppeldeutscher Reformstau im Gesundheitswesen
1. Mißglückte Systembegegnung
Mitten in eine breite Reformdiskussion für das bundesdeutsche Gesundheitswesen platzte die Vereinigung Deutschlands. Zwei verschiedene Gesundheitssysteme begegneten sich, die jedes auf seine Art spezifische Vor- und Nachteile besitzen: Die Vereinigung eröffnete Chancen, voneinander zu lernen und einen qualitativen Fortschritt zu erreichen. Eine vorurteilslose und nüchterne Bewertung beider Systeme unterblieb jedoch. Restaurative Tendenzen setzten sich in Westdeutschland durch, kritiklose Anpassung und individualistische Rettungsstrategien triumphierten im Osten. Nach einem Jahr zeichnet sich ab, daß in Deutschland die Gesundheitsreform nur aufgeschoben, aber nicht aufgehoben ist. Die Sicherstellung einer wirtschaftlichen, problemgerechten, qualifizierten und sinnvollen Krankenversorgung für die Bevölkerung in ganz Deutschland erfordert nun auch die Therapie der Vereinigungskrankheit. Die Kurz-Diagnose lautet: Reformstau bei euphorischer Realitätsverleugnung. Paradigmatisch für die mißglückte Begegnung der beiden Versorgungssysteme sind die ärztliche Profession und die ambulante medizinische Versorgung.
2. Ausgangslage Ost: Ideologisch verbrämte Armut
Das ostdeutsche Gesundheitswesen leidet Not. Materielle Armut lautete die Grundkrankheit.