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Die Diskussion um die Begründung einer Bürgergesellschaft und die Modalitäten ihrer Funktionsfähigkeit im Rahmen einer "guten Ordnung" ist alt; sie ist zentrales Thema jeder politischen Philosophie, und es ist durchaus kennzeichnend, daß Kant die societas civilis mit dem Staat identisch setzt. Virulent wird die Diskussion um die Bürgergesellschaft aber offensichtlich gerade dann, wenn diese Identität zerbricht, wenn Bürgerwillen und Handeln staatlicher Organe an Kongruenz einbüßen. Daß die sog. Parteienkritik Richard von Weizsäckers (die im Grunde mehr als dies, nämlich eine Politikkritik war) 1992 eine so lebhafte Resonanz hervorbrachte und noch hervorbringt, hat seine Gründe zweifellos darin, daß teils eine zunehmende Verkrustung staatlicher Institutionen eingetreten ist, die sie nur noch minimal wahrnehmungsfähig für reale Interessen und Bedürfnisse der Bürger macht, teils eine Mißachtung der verfassungsrechtlich vorgegebenen Verfahren zu beobachten ist und zudem Veränderungen staatlicher Aufgaben gegeben sind, die sich gegen Formen demokratischer Partizipation gleichsam zu sperren scheinen.