7.9. - R u ß l a n d. Präsident Jelzin teilt in Moskau mit, der nach einem Mißtrauensvotum des Volksdeputiertenkongresses im Dezember v.J. entlassene Regierungschef Jegor Gajdar (vgl. "Blätter", 2/1993, S. 132) werde als Erster Stellvertretender Ministerpräsident Rußlands in das Kabinett zurückkehren. - Am 21.9. setzt Präsident Jelzin per Dekret ("Erlaß 1400") "den Vollzug gesetzgebender, administrativer und kontrollierender Aufgaben des Kongresses der Volksdeputierten und des Obersten Sowjets der Russischen Föderation" aus und ordnet für den 11. und 12. Dezember d.J. die Wahl eines neuen Zwei-Kammern-Parlaments an, das aus einem Föderationsrat (Bundesversammlung) und einer Staatsduma bestehen soll. Die innenpolitischen Gegner des Präsidenten sprechen von einem, Verfassungsbruch, Kongreß und Oberster Sowjet reagieren mit einem Beschluß über die Amtsenthebung Jelzins. Der von Jelzin abgesetzte Vizepräsident Ruzkoi (vgl. "Blätter', 10/1993, S. 1162) erklärt, er übernehme gemäß der Verfassung die Vollmachten des Präsidenten. Die Regierung unter Ministerpräsident Tschernomyrdin sowie die Armeeführung unter Verteidigungsminister Gratschow unterstützen demonstrativ die von Jelzin getroffenen Anordnungen. Präsident Jelzin, dessen Amtszeit im Jahre 1996 ausläuft, kündigt am 23.9. Präsidentenwahlen für den 12. Juni 1994 an, lehnt aber gleichzeitige Wahlen für Parlament und Präsidentschaft ab. Die Regierung verfügt am 24.9. die Entwaffnung aller Personen, die sich im und am Parlament aufhalten, Einheiten des Innenministeriums ziehen einen Ring um das Parlament und lösen eine Demonstration von Regierungsgegnern auf Vom Balkon des Gebäudes fordern Ruzkoi und der Parlamentsvorsitzende Chasbulatow ihre Anhänger auf, die Blockade der Miliz zu durchbrechen und öffentliche Einrichtungen in der Hauptstadt zu besetzen. Ein Angriff auf das Fernsehzentrum am Rande von Moskau wird von Sicherheitskräften zurückgeschlagen. Präsident Jelzin verhängt am 3.10. den Ausnahmezustand über die Hauptstadt. Eliteeinheiten von Polizei und Armee erhalten den Befehl, das Parlamentsgebäude zu stürmen. In einer Erklärung heißt es dazu, die Regierung sehe "sich gezwungen, die wildgewordenen politischen Abenteurer, an deren Händen bereits Blut klebt, mit Gewalt zu zügeln". Nach heftigen Kämpfen wird das Parlamentsgebäude eingenommen, Ruzkoi und Chasbulatow werden mit einer großen Anzahl von Personen verhaftet. Über die genaue Zahl der Todesopfer gibt es zunächst keine amtlich bestätigten Angaben.
- S ü d a f r i k a. Die südafrikanischen Parteien einigen sich bei ihren Verhandlungen über eine neue demokratische Verfassungsordnung auf die Einsetzung einer, Übergangsexekutive zur Überwachung der Vorbereitung der auf den 27. April 1994 angesetzten landesweiten Wahlen. Der Exekutivrat, dem weitreichende gesetzliche Vollmachten eingeräumt werden, soll eine eigene Friedenstruppe erhalten, der auch bewaffnete Formationen des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) angehören. - Am 24.9. setzt sich ANC-Präsident Mandela vor dem UN-Sonderausschuß gegen die Apartheid in New York für die Aufhebung aller Wirtschaftssanktionen gegen Südafrika ein. Das vom Sicherheitsrat im Jahre 1977 verhängte Waffenembargo solle jedoch zunächst beibehalten werden.
- C h i n a / I n d i e n. Der chinesische Ministerpräsident Li Peng und der indische Premierminister Rao unterzeichnen in Peking einen "Vertrag über Frieden und Ruhe in den Grenzgebieten". Der Vertrag, der als vertrauensbildende Maßnahme bezeichnet wird, verpflichtet beide Seiten, die entlang der gemeinsamen Grenzen stationierten Truppen zu reduzieren,
9.9. - N a h e r O s t e n. Der PLO-Vorsitzende Arafat und der israelische Ministerpräsident Rabin tauschen Briefe aus, in denen sich beide Seiten anerkennen und die Aufnahme direkter Verhandlungen im Rahmen des Nahost-Friedensprozesses vereinbaren (vgl. "Blätter", 10/1993, S. 1163 f.). Der norwegische Außenminister Holst überbringt den Brief Arafats nach Israel. Das PLO-Exekutivkomitee (18 Mitglieder) hatte Arafat zur Absendung des Briefes an Rabin und zur Unterzeichnung einer Vereinbarung mit Israel nach kontroverser Debatte mit acht gegen vier Stimmen bei einer Enthaltung ermächtigt. Fünf Mitglieder des Exekutivkomitees waren den Beratungen ferngeblieben. - Am 10.9. erklärt Regierungssprecher Vogel in Bonn, "die Entscheidung der PLO, das Existenzrecht Israels anzuerkennen und der Gewalt in jeder Form abzuschwören", sei ebenso bedeutsam wie "die Entscheidung Israels, die Rolle der PLO als Vertretung des palästinensischen Volkes offiziell zu bestätigen". Am 13.9. unterzeichnen der israelische Außenminister Schimon Peres und der PLO-Vertreter Mahmud Abbas in Washington eine umfangreiche "Prinzipienerklärung über Vereinbarungen zur übergangsweisen Selbstverwaltung" für den Gazastreifen und die Stadt Jericho, der vier Protokolle und eine Vereinbarte Niederschrift beigegeben sind. Das Vertragswerk wird von den Außenministern Christopher (USA) und Kosyrew (Rußland) beglaubigt (Text des Briefwechsels und der Prinzipienerklärung mit zwei Protokollen in "Blätter", 10/1993, S. 1280 ff.). Vor der Zeremonie, die im Garten des Weißen Hauses stattfindet, kommt es in Anwesenheit von Präsident Clinton zu einer ersten Begegnung zwischen Arafat und Rabin. Zu den geladenen Gästen, die der Unterzeichnung beiwohnen, gehören die früheren amerikanischen Präsidenten Carter und Bush sowie die Außenminister Kissinger, Shultz und Baker. Am 14.9. bezeichnet UN-Generalsekretär Boutros Ghali das Abkommen zwischen der PLO und Israel als ein Modell für die internationale Gemeinschaft zur friedlichen Beilegung von Konflikten. Boutros Ghali erklärt gegenüber dem PLO-Vorsitzenden Arafat in New York, die Vereinten Nationen seien bereit, die Palästinenser bei der Vorbereitung von Wahlen zu unterstützen. In Washington einigen sich am gleichen Tag Vertreter Israels und Jordaniens auf einen detaillierten Terminplan für weitere bilaterale Verhandlungen. Am 18.9. verteidigt Arafat vor den Außenministern der arabischen Liga in Kairo das Gaza-Jericho-Abkommen gegen Kritik aus der arabischen und islamischen Weit. Die Vereinbarung sei ein erster Schritt zur Befreiung aller von Israel besetzten Gebiete, zu der auch ein israelischer Rückzug aus Jerusalem gehören müsse. - Am 23.9. billigt das israelische Parlament die Vereinbarung mit den Palästinensern mit 61 gegen 50 Stimmen. - Am 1.10. beraten in Washington unter amerikanisch-russischem Vorsitz die Vertreter von 45 Staaten über finanzielle Hilfe für die künftigen autonomen palästinensischen Gebiete. Für die nächsten zwei Jahre werden Zusagen von insgesamt 1 Mrd. Dollar gemacht.
14.9. - G e o r g i e n. Das Parlament in Tiflis entspricht einer Forderung von Präsident Schewardnadse und verhängt den Ausnahmezustand, der ab 20.9. für zunächst zwei Monate gelten soll. Schewardnadse hatte zuvor mit seinem Rücktritt gedroht. - Am 27.9. erobern Einheiten der abchasischen Separatisten die Provinzhauptstadt Suchumi. Präsident Schewardnadse, der die umkämpfte Stadt kurz vor der Einnahme verläßt, hatte die russische Regierung mehrfach vergeblich um militärischen Beistand gebeten.
19.9. - H a m b u r g. Bei vorzeitigen Wahlen zum Landesparlament, die auf ein Urteil des Verfassungsgerichts der Hansestadt zurückgehen (vgl. "Blätter", 6/1993, S. 646), verlieren die alleinregierenden Sozialdemokraten die absolute Mehrheit. Besonders starke Stimmenverluste müssen die Christdemokraten hinnehmen, die FDP scheidet mit 4,2% der Stimmen aus dem Parlament aus. Besonders erfolgreich sind die Grün-Alternative Liste (GAL) sowie die neugegründete STATT-Partei. Die beiden Rechtsparteien Republikaner und Deutsche Volksunion (DVU) scheitern mit 4,8 bzw. 2,8% an der Fünf-Prozent-Klausel. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis entfallen (Angaben in %) auf die im Landesparlament vertretenen Parteien: SPD 40,4 (1991: 48,0), CDU 25,1 (35,1), Grüne/GAL 13,5 (7,2), STATT-Partei 5,6 (-). Die Wahlbeteiligung beträgt 69,6% (66,1%). Zusammensetzung der neuen Bürgerschaft (121 Abgeordnete): SPD 58 (61), CDU 36 (44), GAL 19 (9), STATTPartei 8 (-). (Zu den Ergebnissen der Wahl vom 2. Juni 1991 vgl. "Blätter", 2/1992, S. 256.)
- P o l e n. Aus den Parlamentswahlen (Wahlbeteiligung 50,5%) geht das Bündnis der Demokratischen Linken (SLD), dem 26 Parteien und Organisationen, darunter die früheren Kommunisten, angehören, mit 20,6% der Stimmen als stärkste Gruppierung hervor. Es folgt die Bauernpartei (PSL) mit 15,2%, an dritter Stelle liegt die Demokratische Union (UD) der Ministerpräsidentin Suchocka mit 10,5%. 21.9. - U N O. Mit der Wahl von Botschafter Samuel R. Insanally (Guyana) zum Präsidenten beginnt in New York die 48. Generalversammlung der Vereinten Nationen. Erster Redner der traditionellen Generaldebatte ist am 27.9. der amerikanische Präsident Clinton, der die Nichtverbreitung von atomaren, biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen als höchste Priorität bezeichnet. Die internationale Staatengemeinschaft müsse die Fähigkeit zur Bewältigung regionaler Konflikte verbessern. Bundesaußenminister Kinkel meldet am 29.9. vor der Versammlung erneut den Anspruch der Bundesrepublik auf einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat an.
22.9. - B u n d e s r e g i e r u n g. Bundeskanzler Kohl erklärt nach einem Telefongespräch mit dem amerikanischen Präsidenten Clinton, beide Politiker stimmten in der Beurteilung der Lage in Rußland voll "überein". Präsident Jelzin verdiene als der demokratisch gewählte Führer Rußlands volle Unterstützung bei seinen Bemühungen, durch freie und demokratische Wahlen im Dezember d.J. "einen Ausweg aus der verfassungsrechtlichen Krise und Sackgasse herbeizuführen".
24.9. - G U S. Neun ehemalige Sowjetrepubliken schließen sich im Rahmen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) zu einer Wirtschaftsunion zusammen; ein entsprechendes Abkommen wird in Moskau paraphiert. Gründungsmitglieder der Wirtschaftsunion sind Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Kasachstan, Kirgistan, Moldawien, Rußland, Tadschikistan und Usbekistan. Turkmenistan und die Ukraine behalten sich einen späteren Beitritt vor.
- K a m b o d s c h a. Staatschef Prinz Norodom Sihanouk unterzeichnet eine neue Verfassung, die das Land wieder zur konstitutionellen Monarchie erklärt. Sihanouk wird anschließend zum König ausgerufen.
27.9. - U k r a i n e. Präsident Krawtschuk übernimmt per Dekret die Regierungsgeschäfte, das Amt des Ministerpräsidenten wird abgeschafft. Zur Begründung heißt es, die Maßnahme diene der Beschleunigung der politischen und marktwirtschaftlichen Reformen.
29.9. - U S A / R u ß l a n d. Der amerikanische Präsidient Clinton empfängt in Washington den russischen Außenminister Kosyrew und bekräftigt bei dieser Gelegenheit seine Unterstützung für die Reformpolitik von Präsident Jelzin. In einem Schreiben an Clinton hatte Jelzin versichert, er sei entschlossen, Gewalt und Blutvergießen in der gegenwärtigen innerrussischen Krise zu vermeiden.
30.9. - N A T O. Der russische Präsident Jelzin äußert Bedenken gegen eine rasche Erweiterung der NATO nach Osten durch die Aufnahme Polens, der Tschechischen Republik und Ungarns, die in Moskau den Eindruck einer Isolierung Rußlands hervorrufen könne. In einem Brief an die Regierungen der Bundesrepublik, Frankreichs, Großbritanniens und der USA, dessen Inhalt in Bonn bekannt wird, schreibt Jelzin, im Jahre 1990 beim Abschluß des Zwei-plus-VierVertrages (Text in "Blätter", 11/1990, S. 389 ff.) habe man verabredet, daß für ein kollektives Sicherheitssystem in Europa die NATO und die Sowjetunion gemeinsam zuständig seien. Gleichzeitig heißt es im NATO-Hauptquartier in Brüssel, Rußland fordere wegen der in stabilen Lage im Nordkaukasus für sich eine stärkere militärische Präsenz in dieser Region und wünsche entsprechende Änderungen des Vertrages über konventionelle Streitkräfte in Europa vom 19. November 1990 (Auszüge in "Blätter", 1/1991, S. 116 ff.).
4.10. - E u r o p a r a t. Rumänien wird als 32. Mitglied in die Organisation aufgenommen. Für die Aufnahme stimmen in Straßburg die Vertreter von 30 Mitgliedstaaten. Ungarn, das die Behandlung der ungarischen Minderheit in Rumänien kritisiert, enthält sich der Stimme.
5.10. - C h i n a. Auf dem Testgelände Lop Nor, Provinz Xinjiang in Nordwestchina, findet ein unterirdischer Atombombentest statt. Das Außenministerium in Peking erklärt dazu, die VR China befürworte einen internationalen Vertrag über das vollständige Verbot von Nuklearversuchen "nicht später als 1996". In Presseberichten heißt es, China wolle offenbar bis zum Abschluß eines solchen Vertrages seinen technischen Rückstand gegenüber den übrigen Atommächten verringern.