Herbert Marcuse - Theoretiker der Revolte
1. Vorab
Regelrecht ungehalten, verständnislos und spöttisch habe er reagiert auf die Frage, womit er sich beschäftigen würde, wenn er unter den gegebenen Verhältnissen 50 Jahre jünger wäre, berichtet Helmut Dubiel, der mit Herbert Marcuse kurz vor dessen Tod 1979 sprach. Es ist dies freilich eine Art von Frage, die noch ganz andere Reaktionen rechtfertigen würde. In diesem Falle dürfen wir aber dem Fragenden dankbar sein, daß er uns die (vergleichsweise beherrschte) Antwort Marcuses überliefert hat. In ihr steckt der lebenslange Antrieb seiner politischen Philosophie:
„Er sagte, zum erstenmal in der Geschichte der Gattung hätte die technische Entwicklung ein Niveau erreicht, das ein Leben ohne physische Not und entfremdete Arbeit, ein Leben in Würde und Freiheit für alle Mitglieder der menschlichen Gesellschaft objektiv möglich macht. Zugleich sei die Politik in der Ersten und der Zweiten Welt darauf konzentriert, durch immer umfassendere autoritäre Kontrollen die Menschen davon abzuhalten, diese weltgeschichtliche Chance zu erkennen und praktisch zu ergreifen. Er wisse gar nicht, worüber man sonst arbeiten solle, wenn nicht über diesen ungeheuerlichen Widerspruch." (Dubiel 1980, S. 195)
In den Jahren der weltweiten Studentenbewegung waren das die Antriebe und Motive vieler.