Der immer schneller fließende, längst seiner natürlichen Schönheiten beraubte Rhein schien seinen Fetischcharakter verloren zu haben. Er war nicht länger Zankapfel zwischen Frankreich und Deutschland, nur noch ein schiffbarer Fluß, und niemand fragte sich mehr, ob er nun Teutschlands Strom oder Teutschlands Gränze sei, wie vor 180 Jahren Ernst Moritz Arndt. Er war sozusagen endlich entideologisiert, bis auf die Loreley natürlich und die Burgenromantik, die keinen Schaden stiften können.
Deutschland, haben wir gedacht, sei europäischer geworden. Aber seit ein paar Jahren sieht es so aus, als wolle es entschlossen wieder deutscher werden, zurückkehren zu alten Untugenden, zu dem Teil seiner schuldbeladenen Vergangenheit, der sich am allerwenigsten eignet, der Zukunft auf die Beine zu helfen. Anders ausgedrückt: Die Preußen kehren zurück, obgleich es sie ja offiziell nicht mehr gibt. Es ist Deutschland, auch wenn es nur noch das halbe war, gut bekommen, daß der Raubstaat, der den Rest der deutschen Länder in sich hatte aufgehen lassen, von der Bildfläche verschwunden war; aber sein Verschwinden hat auch dazu geführt, daß vergessen worden ist, was er den andern angetan hat.
Wie selbstverständlich tauchte Preußens Schatten wieder auf, als die Mauer fiel.