Ausgabe August 1994

Machtwechsel oder Democrazia bloccata auf gut deutsch

Ausgrenzen, spalten oder einbinden? Zum Umgang mit einer Nachfolgepartei

Wäre es nach der geballten Urteilskraft und Phantasie der deutschen Leitartiklerzunft gegangen, wäre in Sachsen-Anhalt - Wahl hin, Wahl her - ein Machtwechsel unmöglich. Lange vor dem amtlichen Endergebnis des 26. Juni 1994 hatten die "Experten" in den Tele-Wahlstudios die Große Koalition als einzig denkbare Konsequenz dekretiert, ungeachtet der eigenen Umfrageergebnisse, die eine deutliche Präferenz für Rot-Grün ausgewiesen und einer CDU/SPD-Koalition kaum höhere Sympathiewerte zugebilligt hatten als dem Hirngespinst einer rot-roten SPD/PDS-Regierung. Die unverhoffte Courage von Sozialdemokraten und Bündnisgrünen, die Abfuhr für Schwarz-Gelb als Wählerauftrag zum Machtwechsel zu begreifen und die Bildung einer rot-grünen Minderheitsregierung zu riskieren, bewahrt Magdeburg vor dem Schicksal, Symbol des Einstiegs in eine "blockierte Demokratie" zu werden. Gemeint ist eine parlamentarische Konstellation, in der ein Machtwechsel, die Abwahl einer Regierung und ihre Ablösung durch die Opposition, zwar rechnerisch möglich, durch ungeschriebene, jedoch allseits verinnerlichte Spielregeln aber blockiert ist. Rudolf Scharping hat bereits kategorisch ausgeschlossen, daß er unter einer Konstellation … la Magdeburg in Bonn zum Kanzler gewählt werden könne.

August 1994

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