Selbstbestimmung und Sezession. Herausforderung für die Staatengemeinschaft
1. Die überraschende Aktualität von 1919
Mit dem großen Aufatmen war es schnell vorbei. Schon erheben sich Stimmen, die der Blockkonfrontation nachtrauern. Deren Jahrzehnte lang schwer drückende Lasten, sei es das Damoklesschwert nuklearer Abschreckung mit all seinen Risiken, seien es die im Realsozialismus notfalls manu militari exekutierten „allgemeinen Gesetzmäßigkeiten" des Marxismus-Leninismus, werden flugs verdrängt. Post festum erscheint dann der globale Bipolarismus ins rosige Licht einer Machtkonstellation getaucht, die zumal in Europa politische Stabilität verbürgte. Seit es damit zu Ende ist, zerfiel nicht nur das, was früher das „sozialistische Lager" hieß, sondern setzte auch ein staatlicher Zerbröckelungsprozeß der Sowjetunion ein, der möglicherweise noch nicht an sein Ende gelangt ist. Und anstelle des raschen Übergangs zu einer stabilen europäischen Friedensordnung - vielen Politikern, Publizisten und manchen Politikwissenschaftlern zufolge eine Sache lediglich von ein paar Jahrensind alte und neue Formen von Gewalt, aggressivem Nationalismus, Kriegen und Bürgerkriegen freigesetzt worden, die beängstigend zunehmen. Hals über Kopf erklären Zeitgeist-Diagnostiker wie Hans-Magnus Enzensberger die „Aussichten auf den Bürgerkrieg" zum Signum unseres Zeitalters, wenn nicht gar zur Wiederkehr der angeblichen Normalität von Geschichte.