Seit dem Ende der Ost-West-Konfrontation sind Minderheitenrechte aus dem Dornröschenschlaf erwacht, in den sie seit dem Zweiten Weltkrieg versunken schienen. Die Identität ethnischer Minderheiten zu wahren, wurde 1990 zum wichtigen Programmpunkt der KSZE. 1995 empfahl der Europarat seinen Mitgliedstaaten die Ratifizierung einer Konvention zum Schutz nationaler Minderheiten. In ihre Freundschaftsverträge mit ost- und südosteuropäischen Nachbarstaaten nimmt die Bundesrepublik Deutschland Bestimmungen zum Schutz deutscher Minderheiten auf. Die gemeinsame Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat diskutierte sehr ernsthaft die Einführung einer Verfassungsnorm mit dem Wortlaut: „Der Staat achtet die Identität der ethnischen, kulturellen und sprachlichen Minderheiten“.
Als Minderheiten im völkerrechtlichen Sinn werden zwar fast ausschließlich traditionelle Minoritäten in einigermaßen geschlossenen Siedlungsgebieten angesehen, die zudem die Staatsangehörigkeit des Aufenthaltslandes besitzen. Diese rechtliche Abgrenzung verhindert allerdings kaum, daß analoge Forderungen zugunsten der eingewanderten Ethnien in westeuropäischen Staaten aufkommen. Das wiederentdeckte Thema der Minderheitenpolitik, als dessen Adressaten die früheren Ostblockstaaten angesehen werden, ist deshalb auch für die westeuropäischen Staaten nicht ohne innenpolitische Brisanz.