Ausgabe Dezember 1996

Staatsdiät

Die Feststellung, daß der öffentliche Sektor reformbedürftig ist, stößt heute kaum noch auf Widerspruch. Daß vor allem die Finanznot zu grundlegenden Reformen der öffentlichen Verwaltung zwingt, ist eine Binsenweisheit. Quer durch die politischen Lager genießt die Aussage Akzeptanz, daß die Verwaltung aufgebläht und ineffizient sei und sich erheblicher Modernisierungsbedarf angestaut habe. Angesichts der sprichwörtlichen Leere der öffentlichen Kassen erstreckt sich die Debatte inzwischen aber nicht mehr nur auf die Modernisierung staatlicher Strukturen, zunehmend wird einer Aufgabenreduzierung des Staates das Wort geredet - und auch dies quer durch alle politischen Lager. Das überrascht auf den ersten Blick.

Diätrezepte für den "schlanken Staat"

Ursprünglich standen sich stets zwei gegensätzliche ideologische Grundpositionen gegenüber: Während traditionell die liberal-konservative Position einen Rückzug des Staates auf seine "Kernaufgaben" befürwortete, galten Sozialdemokraten als Verfechter eines Ausbaus staatlicher Funktionen. "Nur Reiche können sich einen armen Staat leisten" - dieser Satz war bis vor kurzem Bestandteil fast jeder sozialdemokratischen Wahlrede und Maxime sozialdemokratischer Regierungspolitik.

Dezember 1996

Sie haben etwa 10% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 90% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Politik vor Recht: Die Aushöhlung der liberalen Demokratie

von Miguel de la Riva

Als der FPÖ-Chefideologe und heutige Parteivorsitzende Herbert Kickl im Januar 2019 in einem ORF-Interview darauf angesprochen wurde, dass seine Asylpläne an die Grenzen von EU-Recht, Menschenrechtskonvention und Rechtsstaat stoßen, antwortete der damalige österreichische Innenminister, „dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht“.

Ernst, aber nicht hoffnungslos

von Thorben Albrecht, Christian Krell

Spätestens seit Ralf Dahrendorfs berühmt gewordener These vom „Ende des sozialdemokratischen Jahrhunderts“ gehören SPD-Niedergangsprognosen zu den Klassikern der parteibezogenen Publizistik. Die Partei hat diese Prognose bisher um 42 Jahre überlebt. Aber das konstituiert keine Ewigkeitsgarantie.