Ausgabe Oktober 1996

Triumph des Willens

Beim Marsch in Richtung Europäische Einheitswährung gewinnt der politische Wille zusehends die Oberhand über den gesunden Menschenverstand. Ein Triumph des Willens, könnte man sagen - des deutschen Willens, nämlich der anhaltenden Entschlossenheit Kanzler Kohls, die Einheitswährung 1999 einzuführen, auch wenn nur Deutschland und Frankreich das schaffen. Italiens neue Mitte-Links-Regierung hat bisher daran festgehalten, daß Italien als drittes großes Land mit von der Partie sein wird, auch wenn dies beim gegenwärtigen wirtschaftlichen Zustand des Landes nicht plausibel klingt. Auch hier setzte man auf einen Triumph des Willens. Kürzlich hat nun der italienische Vizepremier, Walter Veltroni, ausgesprochen, was jedermann klar genug vor Augen steht: Ganz Westeuropa befindet sich in einer derartigen Wirtschaftskrise, daß wohl niemand die im Maastrichter Vertrag für 1999 festgelegten Kriterien einer Währungsunion wird erfüllen können.

Veltroni wagte es, in der Tageszeitung "Corriere della Sera" anzuregen, die Regierungen sollten vernünftigerweise jene Kriterien überdenken, die in ganz Westeuropa Beschäftigung und Wachstum blockieren. Zuvor hatte schon FIAT-Chef Cesare Romiti gesagt, wenn durch eine Vertagung des Beitritts zu der neuen Währung in Italien Arbeitsplätze und Wachstum geschaffen werden könnten, wäre dies die Sache wert.

Oktober 1996

Sie haben etwa 22% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 78% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Verbrecherische Komplizen: Libyen und die EU

von Sigrun Matthiesen, Allison West

Es war ein Tiefpunkt in der Geschichte der Seenotrettung: 20 Minuten lang beschoss am 24. August ein Patrouillenboot der libyschen Küstenwache die Ocean Viking, ein Rettungsschiff der Seenotrettungsorganisation SOS Méditerranée.

Von Milošević zu Trump: Die bosnische Tragödie und der Verrat an den Bürgerrechten

von Sead Husic

Es herrschte keine Freude bei der bosnisch-herzegowinischen Regierungsdelegation am 22. November 1995 auf dem Wright-Patterson-Luftwaffenstützpunkt in Dayton. Eben hatte sie dem Friedensabkommen mit der Bundesrepublik Jugoslawien, die noch aus Serbien und Montenegro bestand, und Kroatien zugestimmt, doch sie fühlte sich betrogen.