Ausgabe Juni 1997

Parteibündnisse zur Neuwahl der französischen Nationalversammlung am 25. Mai und 1. Juni 1997

Gemeinsame Erklärung von Kommunisten (PCF) und Sozialisten (PS) (Wortlaut)

Die vor der Entscheidung von Präsident Jacques Chirac, die Nationalversammlung aufzulösen, vereinbarte Begegnung zwischen Sozialistischer und Kommunistischer Partei nimmt 27 Tage vor dem ersten Wahlgang zum Parlament eine neue Dimension an.

Die Entscheidung des Präsidenten, die 1993 gewählte Nationalversammlung vor Ende der Legislaturperiode aufzulösen, stellt ein beispielloses politisches Manöver dar.

Zu einer Zeit, in der die Rechte im Land über alle Macht und im Parlament seit vier Jahren über eine erdrückende Mehrheit verfügt, die allen Regierungsvorlagen ohne Widerrede zustimmt, werden die überraschten Französinnen und Franzosen nach einem sehr kurzen Wahlkampf die Verantwortung dafür tragen, ein neues Parlament für die nächsten fünf Jahre zu wählen.

Nichts zwang zu dieser Eile. Weder die Bewältigung einer politischen Krise. Noch die Überwindung einer nationalen Tragödie. Es handelt sich um eine willkürliche Maßnahme der Machthaber, die, zum ersten Mal in der Geschichte der Fünften Republik, ihr Vorrecht nur zu dem Grund nutzen, ihre kurzfristigen Interessen zu befördern. Diese hastige Auflösung dient nicht der Sache des Landes, sondern ist ein Zeichen der Schwäche einer Regierung, die um eine Blankovollmacht nachsucht, auf die Franzosen einzuschlagen.

Die Rechte, und allen voran der gegenwärtige Premierminister Alain Juppé, wollen unbedingt das Volk durch eine Wahl an sich binden, bevor sie ihm einen Sparplan aufzwingen, der zum vorgesehenen Wahltermin 1998 nicht zu verteidigen wäre, und ihm eine Roßkur verordnen, die zu drastischen zusätzlichen Einschnitten in die öffentlichen und sozialen Haushalte führen würde. Die Rechte möchte hierzu freie Hand haben, und Alain Juppé hofft, in der Eile und dem Durcheinander das Kap der Wahlen zu umschiffen, statt sie noch vor sich zu haben.

Indem sie einen derart kurzen Wahlkampf organisiert, zeigt die Rechte erneut, daß sie sich weigert, dem Drängen auf eine moderne Demokratie nachzugeben. Das überrascht uns nicht. In den letzten vier Jahren haben Alain Juppé und seine Freunde durch ihre Methoden und die Brutalität ihrer Praxis ihre Unfähigkeit vorgeführt, mit den Franzosen in einen Dialog zu treten. Einmal mehr geben sie dem „Coup“ den Vorzug vor der öffentlichen Auseinandersetzung. […]

 

--

Leider ist dieser Beitrag in der HTML-Ansicht nur in Auszügen verfügbar. Den gesamten Text finden Sie in der PDF-Datei, die auf dieser Seite zum Download angeboten wird.

 

 

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo