Ausgabe März 1998

Klonen? Nur ein bißchen.

Anfang 1998 geht ein Aufschrei durch die Medienlandschaft: Der amerikanische Arzt und Reproduktionsmediziner Richard Seed will Menschen klonen. Der Papst und US-Präsident Clinton empören sich ebenso wie die „Bild“-Zeitung über das „unmoralische“ Vorhaben. Staatsoberhäupter, Kirche, Wissenschaft und Volksseele scheinen sich einig zu sein: Menschliche Lebewesen, die genetisch identisch mit anderen Menschen sind, Klone also, darf es nicht geben. Richard Seeds perverse Idee, dem Menschen „fast soviel Macht wie Gott“ zu verleihen, ist zu verteufeln.

Das Aufatmen ist fast spürbar, als nur wenige Tage später eine internationale Vereinbarung unterzeichnet wird: Am 13. Januar ratifizieren 17 Staaten das Zusatzprotokoll zur Bioethik-Konvention, das vorgibt, als erster internationaler Vertrag das Klonen von Menschen zu verbieten. Der Reality-Thriller der Industriegesellschaft – die böse Wissenschaft gegen die hehre Gesetzgebung – scheint noch einmal ein Happy-End gefunden zu haben. Wir können uns ein wenig wohlig gruseln, aber Dr. Frankenstein wurde in die Schranken gewiesen und darf nicht weiter praktizieren.

So einfach ist die Situation beim Klonen leider nicht, weder die rechtliche noch die gesellschaftliche. Wer annimmt, durch das sogenannte „Klonierungsprotokoll“ sei ein Klonen von Menschen ein für alle Mal verboten, verkennt die Gesetzeslage.

März 1998

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