Am 8. Juni 1999 präsentierten der britische Premierminister Tony Blair und Bundeskanzler Gerhard Schröder in London ein Papier, das einen „Anstoß zur Modernisierung“ der Sozialdemokratie in Europa geben will. Die Erklärung, zu deren Mitverfassern Kanzleramtsminister Bodo Hombach zählt, fordert eine Abgrenzung von „traditioneller“ sozialdemokratischer Politik. Das Verständnis dessen, was „links“ ist, dürfe nicht „ideologisch einengen”. Die Wahlkampflabel einer „Politik des Dritten Weges“ (Blair) und der „Neuen Mitte“ (Schröder) sollen „Europas neue Hoffnung“ werden. (Vgl. zum Dritten Weg der Labour-Partei im vorliegenden Heft die Beiträge von Tobias Dürr und Luke Martell.) – D. Red.
In fast allen Ländern der Europäischen Union regieren Sozialdemokraten. Die Sozialdemokratie hat neue Zustimmung gefunden - aber nur, weil sie glaubwürdig begonnen hat, auf der Basis ihrer alten Werte ihre Zukunftsentwürfe zu erneuern und ihre Konzepte zu modernisieren. Sie hat neue Zustimmung auch gewonnen, weil sie nicht nur für soziale Gerechtigkeit, sondern auch für wirtschaftliche Dynamisierung und für die Freisetzung von Kreativität und Innovation steht.
Markenzeichen dafür ist die „Neue Mitte“ in Deutschland, der „Dritte Weg“ im Vereinigten Königreich. Andere Sozialdemokraten wählen andere Begriffe, die zu ihrer eigenen politischen Kultur passen. Mögen Sprache und Institutionen sich unterscheiden: Die Motivation ist die gleiche. Die meisten Menschen teilen ihre Weltsicht längst nicht mehr nach dem Dogma von Links und Rechts ein. Die Sozialdemokraten müssen die Sprache dieser Menschen sprechen.
Fairneß, soziale Gerechtigkeit, Freiheit und Chancengleichheit, Solidarität und Verantwortung für andere: diese Werte sind zeitlos. Die Sozialdemokratie wird sie nie preisgeben. Um diese Werte für die heutigen Herausforderungen relevant zu machen, bedarf es realistischer und vorausschauender Politik, die in der Lage ist, die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu erkennen. Modernisierung der Politik bedeutet nicht, auf Meinungsumfragen zu reagieren, sondern es bedeutet, sich an objektiv veränderte Bedingungen anzupassen.
Wir müssen unsere Politik in einem neuen, auf den heutigen Stand gebrachten wirtschaftlichen Rahmen betreiben, innerhalb dessen der Staat die Wirtschaft nach Kräften fördert, sich aber nie als Ersatz für die Wirtschaft betrachtet. Die Steuerungsfunktion von Märkten muß durch die Politik ergänzt und verbessert, nicht aber behindert werden. Wir unterstützen eine Marktwirtschaft, nicht aber eine Marktgesellschaft!
Wir teilen ein gemeinsames Schicksal in der Europäischen Union. Wir stehen den gleichen Herausforderungen gegenüber: Arbeitsplätze und Wohlstand fördern, jedem einzelnen Individuum die Möglichkeit bieten, seine eigenen Potentiale zu entwickeln, soziale Ausgrenzung und Armut bekämpfen; materiellen Fortschritt, ökologische Nachhaltigkeit und unsere Verantwortung für zukünftige Generationen miteinander vereinbaren; Probleme wie Drogen und Kriminalität, die den Zusammenhalt unserer Gesellschaften bedrohen, wirksam bekämpfen und Europa zu einem attraktiven Modell in der Welt machen.
Wir müssen unsere Politik stärken, indem wir unsere Erfahrungen zwischen Großbritannien und Deutschland austauschen, aber auch mit den Gleichgesinnten in Europa und der übrigen Welt. Wir müssen voneinander lernen und uns an der besten Praxis und Erfahrung in anderen Ländern messen. Mit diesem Appell wollen wir die anderen sozialdemokratisch geführten Regierungen Europas, die unsere Modernisierungsziele teilen, einladen, sich an unserer Diskussion zu beteiligen.
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