Ausgabe Juli 1999

Glosse: Förderung der Kinder-Reichen

Der Schock des Urteils aus Karlsruhe zum Kindergeld sitzt den Finanzministern tief in den Knochen. Gerhard Schröder hat sich nach diesem Urteil zu unbedachten Äußerungen hinreißen lassen. Eine „schreiende Ungerechtigkeit“ findet es der Kanzler, daß Reiche für ihr Kind mehr Geld vom Staat erhalten als Arme. Denn wegen der Steuerprogression steigt dank des Wahlrechts für Kinderfreibeträge statt für Kindergeld ab einem Einkommen von 180 000 Mark der Staatszuschuß pro Kind mit dem Einkommen. Doch des Kanzlers Entrüstung greift noch weiter. Er halte es für „äußerst zweifelhaft“, den Mitbürgern mit hohem Einkommen überhaupt Kindergeld zu gewähren.

Kühl hat Theo Waigel, längst Ex-Finanzminister, entgegnet, es gehe überhaupt nicht um die Frage, ob Besserverdienende Kindergeld wirklich brauchen, sondern ausschließlich um den Grundsatz, daß jemand mit Kindern steuerlich bessergestellt werden müsse als ein Gleichverdienender ohne Kinder. Doch damit greift auch Waigel zu kurz. Der Besserverdienende verdient in der Tat eine bessere Behandlung. Das ist ein Gebot elementarer Gerechtigkeit ebenso wie der demographischen und wirtschaftlichen Vernunft. Unbestreitbar kommt die Aufzucht eines Kindes in einer reichen Familie teurer als in einer armen.

Juli 1999

Sie haben etwa 39% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 61% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo