Helmut Ridders 80. Geburtstag fällt fast zusammen mit dem 50. Jahrestag des Grundgesetzes. Er hat seine Entstehung, seine Krisen, seine Widersprüche mit Kritik, aber auch die Entwicklung seiner produktiven Momente mit kühnen Ideen, insbesondere zur Stellung der Öffentlichkeit in der Demokratie begleitet. Helmut Ridder gehörte schon während des Krieges, von einem christlichen Elternhaus in Westfalen geprägt, zu den jungen Deutschen, die die Inhumanität des NS-Regimes selbst erkannt hatten und dazu nicht erst der Erfahrung seines "Zusammenbruchs" bedurften. Die Einsicht, daß auch die deutschen Traditionen des Denkens vom Staat her, dem Staat des "deutschen Kaiserreichs" als Produkt eines "siegreichen" Krieges oder dem Staat der Weimarer Republik als Produkt eines verlorenen Krieges, zur Selbst- und Fremdentmündigung der Deutschen beigetragen haben, hat das Gravitationszentrum eines an theoretischer Anziehung und Abstoßung reichen Lebens als Lehrer, Forscher und politischer Bürger gebildet. Seine Lehr- und Forschungstätigkeit in Berlin, Frankfurt, Oxford, an der Harvard-Universität und in Bonn bis Mitte der 60er Jahre war geprägt von dem Bemühen um die Neukonstruktion eines V e r f a s s u n g s denkens, das von der Gesellschaft und eben nicht vom Staat ausging.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.