Ausgabe September 1999

Betrifft: Rechtschreibreform

Die Übernahme der in Schulen seit 1996 praktizierten Rechtschreibreform durch Nachrichtenagenturen, Tages- und Wochenzeitungen schafft für die außerschulische „Schreibgemeinschaft“ eine neue Lage. Seit dem 1. August 1999 – und auf heute noch nicht absehbare Zeit – koexistieren zwei Schreibweisen der deutschen Sprache, von denen keine als „falsch“ qualifiziert werden kann.

Die Art, wie auch die reformkritischen Printmedien (etwa der „Spiegel“ und die FAZ) ihr Einschwenken auf die Kursvorgabe der Nachrichtenagenturen begründet und vollzogen haben, veranlaßt uns, einige Hinweise des einschlägigen (hier in Auszügen dokumentierten) BVerfG-Urteils in Erinnerung zu rufen:

1. Jeder Bürgerin und jedem Bürger bleibt die Qual der Wahl, sich den „Neuschreibern“ anzuschließen oder nicht.

2. Die Einführung der neuen Orthographie bindet nur die Schulen (und künftig ggf. die öffentliche Verwaltung), ist aber dort ausdrücklich einer Erprobungsphase bis 2005 unterworfen. Im Schulunterricht dürfen Abweichungen von der Reformschreibung erst nach diesem Stichjahr als Fehler beanstandet werden.

3. Ob und in welcher Form sie die Neuregelung übernehmen, abwandeln oder ignorieren wollen, liegt im Ermessen der Buch- und Zeitschriftenverlage, Lehrmittelhersteller natürlich ausgenommen.

Anders als die agenturabhängigen Tages- und Wochenzeitungen haben bisher nur wenige Zeitschriften die Neuregelung übernommen oder ihre Übernahme für die nächste Zeit in Aussicht gestellt.

Verlag und Redaktion der „Blätter“ haben sich auf das folgende Verfahren verständigt: Wir wollen nichts oktroyieren und zunächst weiter beobachten, ob bzw. inwieweit die Neuregelung bei Autorinnen und Autoren, Leserinnen und Lesern sowie bei Buch- und Zeitschriftenverlagen Akzeptanz findet. Zu gegebener Zeit, möglicherweise zum Jahrgangswechsel, werden wir entscheiden, ob und mit welchen „Blätter”-gemäßen Modifikationen wir die Neuregelung übernehmen.

Das bedeutet:

In den „Blättern“ gelten bis auf weiteres die bisherigen Regeln.

„Neuschreiber/innen“ werden jedoch nicht „zensiert”; es können deshalb – erstmals in der nächsten Ausgabe – verschiedene Orthographien nebeneinanderstehen, was sowohl der Festlegung einer Erprobungsphase als auch der absehbaren zivilgesellschaftlichen Realität entspricht. Auf Reformangebote wie Buklee, Brenn-Nessel, Kommunikee, Maläse, Nessessär oder Portmonee bitten wir allerdings zu verzichten.

Verlag und Redaktion

 

Leider ist dieser Beitrag in der HTML-Ansicht nur in Auszügen verfügbar. Den gesamten Text finden Sie in der PDF-Datei, die auf dieser Seite zum Download angeboten wird. 

 

 

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo