Ausgabe Dezember 2001

Ulster: Abrüstung in den Köpfen

In den letzten dreieinhalb Jahren seit der Unterzeichnung des Belfaster Abkommens hat Nordirland durch derart viele Krisen von sich reden gemacht, dass sowohl im Inneren der Provinz als auch bei vielen Außenstehenden die Zweifel wuchsen, ob der in vielerlei Hinsicht als modellhaft angesehene Friedensvertrag bzw. seine Implementierung nicht doch ernste Konstruktionsmängel aufweist. Die demokratische Transformation einer Bürgerkriegsgesellschaft mit dem Übergang vom Vertragen zum Vertrauen und schließlich zur Versöhnung in der durch einen politisch geprägten Konfessionalismus (sectarianism) tief gespaltenen Gesellschaft Nordirlands scheint nicht voran zu kommen. So kam der Beginn der Abrüstung der IRA-Waffen am 23. Oktober überraschend. "Der Tag, von dem wir dachten, er würde niemals kommen", lautete der Kommentar von David Trimble, dem Führer der größten protestantischen Formation, der Ulster Unionist Party (UUP).

Die unerfüllte Forderung der Unionisten nach Decommissioning (Abrüstung) als Voraussetzung für eine gemeinsame Regierung (power-sharing) mit der katholisch-republikanischen Sinn Fein, dem politischen Arm der IRA, hatte am 1. Juli durch den Rücktritt Trimbles vom Amt des Ersten Ministers zu einem Zusammenbruch der einjährigen insgesamt erfolgreichen Regierungskoalition in Belfast geführt.

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