Ausgabe Februar 2001

Parteiverbot, Tugendterror und empfindsame Demokratie

"Blätter": Bund und Länder wollen, in seltener Einmütigkeit, daß Karlsruhe die NPD für verfassungswidrig erklärt. Parteiverbote haben wir seit Jahrzehnten nicht mehr gehabt. Für wie gravierend halten Sie den Vorgang?

Ulrich K. Preuß: Ungewöhnlich ist er schon deswegen, weil der letzte Antrag (sieht man vom Fall der eher unbedeutenden FAP ab) etwa 50 Jahre zurück liegt. Ungewöhnlich aber auch, weil sich die politischen Umstände in der Republik und die ganze Atmosphäre grundlegend verändert haben. Man konnte schon meinen, das Konzept der "streitbaren Demokratie" hätte sich überlebt. Ein geschlossenes Konzept gab es im Grundgesetz gar nicht. Was es gibt, sind einzelne, allerdings hinlänglich bedeutsame Instrumente, also das Parteienverbot, Artikel 21 GG, und die Grundrechtsverwirkung nach Artikel 18 GG. Schließlich sieht Artikel 9, Absatz 2 GG Vereinigungsverbote vor. Die gibt es auch in normalen liberalen Demokratien immer schon, als polizeimäßige Reaktion auf kriminelle Vereinigungen und dergleichen. Aber Parteienverbot und Grundrechtsverwirkung sind schon ungewöhnlich. Und daraus ist dann, juristisch überhöht, ein allgemeines, geschlossenes Konzept der "streitbaren Demokratie" gemacht worden.

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