Ausgabe Dezember 2002

Europas Motor

Als kürzlich wenige Stunden vor dem Europäischen Rat in Brüssel Jacques Chirac und Gerhard Schröder einen Kompromiss über die umstrittene Finanzierung der EU-Agrarpolitik erzielten und anschließend ihren Partnern als Beschlussgrundlage präsentierten, war einer der letzten und größten Stolpersteine vor der Erweiterung der Union beseitigt. Auch wenn die Briten wieder einmal not amused waren und inhaltlich am erzielten Agrarkompromiss einiges auszusetzen bleibt - der deutsch-französische "Motor", der in den letzten Jahren immer mehr ins Stottern geraten war und der weniger als Antriebsmaschine denn als Bremse der europäischen Integration funktioniert hatte, scheint wieder auf Touren zu kommen. Rechtzeitig zum 40. Jahrestag des Elysée-Vertrags vom 22. Januar 1963 scheint die deutsch-französische Welt wieder in Ordnung; das Jubiläum kann mit vollem Pomp begangen werden. Vergessen die unfruchtbaren Jahre verpasster Gelegenheiten, die schon zum Ende der Ära Kohl eingesetzt hatten; vergessen der Gipfel von Nizza, der durch deutsch-französisches Missmanagement an den Rand des Scheiterns geriet; vergessen auch die kleinen Gemeinheiten, die im Wahljahr über den Rhein hin- und herflogen, wie etwa die französische Spekulation auf einen Regierungswechsel in Berlin.

Alles in bester Ordnung? Die Wirklichkeit ist komplizierter.

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