Ausgabe März 2002

Volksentscheid - Schweizer Marotte oder Frischzellenkur für die Demokratie

Mit der rot-grünen Koalition schien Bewegung in das Thema Volksentscheid zu kommen. Heißt es in der Koalitionsvereinbarung doch: „Wir wollen die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger stärken. Dazu wollen wir auch auf Bundesebene Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid durch Änderung des Grundgesetzes einführen.“[1] Zwei Jahre tat sich nichts, dann setzte die SPD unter Leitung der Bundesjustizministerin eine Arbeitsgruppe ein. Ihr Arbeitsergebnis wurde Grundlage eines Koalitionsantrags für den Bundestag. Die wichtigsten Punkte:

- Es soll nicht nur Volksbefragungen, sondern verbindliche Volksentscheide geben.

- Dabei geht es um Sachentscheide, nicht um Direktwahl des Bundeskanzlers oder Ähnliches.

- Volksentscheide dürfen finanzielle Auswirkungen haben. Diäten und Steuern bleiben jedoch tabu.

- Das Volksbegehren zur Einleitung eines Volksentscheids muss in 12 Monaten von 5% der Wahlberechtigten unterschrieben werden.

- Am Volksentscheid müssen sich mindestens 20% der Wahlberechtigten, bei Verfassungsänderungen 40% beteiligen, sonst ist er ungültig.

- Verfassungsänderungen brauchen außerdem die Zweidrittelmehrheit der Abstimmenden sowie die Zweidrittelmehrheit der Bundesländer (nach Bundesratsschlüssel).

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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