Im 21. Jahrhundert hat das organisierte Verbrechen auf dem Balkan etwas erreicht, was in früheren Jahrhunderten große Reiche vollbrachten – die Römer, Byzantiner, Osmanen, Habsburger und für kurze Zeit Hitlers Drittes Reich: die unzähligen rivalisierenden ethnischen Gruppen der Region zu zwingen, für ein gemeinschaftliches Ziel zusammenzuarbeiten. Der Unterschied liegt natürlich im Zwang und in den Anreizen. Frühere Reiche kombinierten dosierte Begünstigungen für Kooperationswillige mit roher Gewalt gegen jene, die Widerstand leisteten. Das Reich der organisierten Kriminellen setzt für seine Unternehmungen wie Drogenschmuggel und -verkauf, Frauenhandel und die grenzüberschreitende Schieberei von Schmuggelware auf einen zeitgemäßeren Anreiz – das Motiv Profit. Selbstverständlich wird auch Druck ausgeübt, sei es Erpressung unterschiedlichen Ausmaßes oder auch Mord. Das soll allerdings nicht heißen, das organisierte Verbrechen wäre wie Schopska-Salat ausschließlich eine Spezialität des Balkans. Vielmehr ist in diesen Zeiten der allgegenwärtigen Armut, der durch eine Serie von Bürgerkriegen hervorgerufenen physischen und sozialen Ruinen sowie der schwachen Zentralregierungen die organisierte Kriminalität zum größten Industriezweig der Region aufgestiegen.
In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.