Ausgabe Dezember 2003

Scheitert Europa?

Das Jahr 2003 avancierte für Europa zu einem Jahr mehr oder weniger produktiver Konfrontation – zwischen alten und neuen, Kern- und Randeuropäern –, aber auch zu einem Jahr erstaunlicher Versuche der europäischen Selbstverständigung über Chancen, Risiken und Grenzen des Kontinents. In der Reihe "Streitraum" an der Berliner Schaubühne diskutierten am 14. September der französische Philosoph Etienne Balibar und der polnische Publizist Adam Krzemi½ski über die "Mission Europas" in Vergangenheit und Zukunft. Die Gesprächsleitung hatte der Publizist Mathias Greffrath. Mit dem freundlichen Einverständnis der Beteiligten haben die "Blätter" eine Druckfassung erarbeitet, die den Gesprächsverlauf in seinen Kerngedanken einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich macht. – D. Red.

Greffrath: Das Projekt Europa ist an einem Scheideweg angelangt. Im Mai nächsten Jahres steht die EU-Erweiterung um zehn neue Mitglieder an, derzeit wird heftig um die Verabschiedung des Verfassungsentwurfs gerungen. Es drängen neue Staaten mit großen Erwartungen in die EU, und die alten, denen die Union einen ungeheuren Standard an Wohlstand garantiert hat, fürchten den Abstieg. Zudem förderte der Irakkrieg die Spaltung des Kontinents in – wie es das obskure Rumsfeld-Diktum suggerierte – alte und neue Europäer.

Sie haben etwa 4% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 96% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Januar 2026

In der Januar-Ausgabe skizziert der Journalist David Brooks, wie die so dringend nötige Massenbewegung gegen den Trumpismus entstehen könnte. Der Politikwissenschaftler Philipp Lepenies erörtert, ob die Demokratie in den USA in ihrem 250. Jubiläumsjahr noch gesichert ist – und wie sie in Deutschland geschützt werden kann. Der Politikwissenschaftler Sven Altenburger beleuchtet die aktuelle Debatte um die Wehrpflicht – und deren bürgerlich-demokratische Grundlagen. Der Sinologe Lucas Brang analysiert Pekings neue Friedensdiplomatie und erörtert, welche Antwort Europa darauf finden sollte. Die Journalistinnen Susanne Götze und Annika Joeres erläutern, warum die Abhängigkeit von Öl und Gas Europas Sicherheit gefährdet und wie wir ihr entkommen. Der Medienwissenschaftler Roberto Simanowski erklärt, wie wir im Umgang mit Künstlicher Intelligenz unsere Fähigkeit zum kritischen Denken bewahren können. Und die Soziologin Judith Kohlenberger plädiert für eine »Politik der Empathie« – als ein Schlüssel zur Bekämpfung autoritärer, illiberaler Tendenzen in unserer Gesellschaft.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema Europa

Ukraine: Zwischen Korruption und Diktatfrieden

von Yelizaveta Landenberger

Anfang Dezember herrschte rege Pendeldiplomatie, während die Bombardierung ukrainischer Städte und die russischen Vorstöße an der Front unvermindert weitergingen. Völlig unklar ist, ob der im November bekannt gewordene US-»Friedensplan« auch nur zu einem Waffenstillstand führen kann.

Vom Einsturz zum Aufbruch: Die Protestbewegung in Serbien

von Krsto Lazarević

Rund 110 000 Menschen füllen am 1. November die Fläche vor dem Hauptbahnhof in Novi Sad, um der Opfer zu gedenken, die ein Jahr zuvor unter dem einstürzenden Vordach starben. Für die seit Monaten Protestierenden steht der Einsturz nicht für ein bauliches, sondern für ein politisches und gesellschaftliches Versagen: ein sichtbares Symbol für Korruption und ein zunehmend autokratisches System.

Der Kampf um Grönland: Versöhnung als Geopolitik

von Ebbe Volquardsen

Die Stadt Karlsruhe könnte schon bald vor einem Dilemma stehen. Im Januar 2025 zeichnete sie ihren langjährigen Stadtvertreter Tom Høyem (FDP) mit der Ehrenmedaille aus. In den 1980er Jahren war der gebürtige Däne, mittlerweile auch deutscher Staatsbürger, Dänemarks letzter Minister für Grönland – ein Amt aus der Kolonialzeit.