"Es wird kein Referendum geben," betonte der britische Premierminister Tony Blair noch am 17. Oktober des vergangenen Jahres, um nur sechs Monate später, am 20. April, vor dem britischen Unterhaus zu verkünden: "Dann lasst das Volk das letzte Wort haben." Diese Ankündigung markiert den wohl abruptesten und signifikantesten europapolitischen Kurswechsel in der bisherigen Regierungszeit New Labours. Noch in einer Unterhausdebatte am 30. März vertrat Außenminister Jack Straw die damalige Regierungsposition, dass die Überführung einer solchen Verfassung in britisches Recht ausschließlich auf der Grundlage eines Parlamentsbe- schlusses erfolgen solle. Im Gegensatz dazu wird die britische Debatte über die europäische Verfassung nun als zweistufiger Prozess verlaufen: Im Anschluss an die parlamentarischen Beratungen bekommt die britische Bevölkerung voraussichtlich in der zweiten Hälfte des Jahres 2005 Gelegenheit, über Annahme oder Ablehnung der Verfassung zu entscheiden.
Die besondere Brisanz des angekündigten Referendums für den Fortgang der europäischen Verfassungsdiskussion ergibt sich aus der traditionell europaskeptischen öffentlichen Meinung in Großbritannien. Nur 16 Prozent der Befragten gaben in einer Umfrage des britischen Meinungsforschungsinstituts YouGov vom 19. April 2004 an, in einem Referendum für eine europäische Verfassung stimmen zu wollen.