Es gibt grundsätzlich zwei Weisen, mit denen sich das Kino der Realität nähern kann und die ihre je immanenten Regeln haben: Zum einen kann es in die Wirklichkeit eindringen, ihr Inneres mit dem Zweck bloßlegen, die Folgen einer (fehlgeleiteten) Entwicklung deutlich werden zu lassen. Zu diesem Zweck ist es nötig, diese Realität zur Richtschnur der Darstellung zu nehmen; die erzählte Geschichte muss in einer bestimmten Weise „wahr“ sein. Die andere Möglichkeit könnte man mit dem Begriff „Allegorie“ charakterisieren; hier tritt die bewusste Konstruktion an die Stelle des Vorfindbaren. Die erzählte Geschichte soll als ein Lehrstück dienen, etwas beweisen, ein höheres Wissen um die Gesetze des menschlichen Daseins vermitteln.
Natürlich gibt es die verschiedensten Ausprägungen dieser künstlerischen Alternativen, auch solche, die sich einander annähern. Im Falle von Lars von Triers beiden ersten Filmen seiner Amerika-Trilogie, Dogville von 2003 und dem gerade erschienenen Manderlay, kann es dagegen keinen Zweifel geben: Es sind Lehrfilme der reinsten Art. In ihnen wird die Handlung auf einer im Studio aufgebauten Spielfläche „aufgeführt“, auf der die Orte (Zimmer, Höfe etc.) nur durch Kulissenfragmente und Grundrisse auf dem Bühnenboden angedeutet sind. Nicht vorhandene Türen werden gestisch geöffnet und geschlossen, der Soundtrack liefert das Geräusch dazu.