Ausgabe Juli 2005

Die Rekonstruktion demokratischer Souveränität

Zur Verteidigung der Verfassungsprinzipien des alten Europa (II)

Das demokratische Gewaltenteilungsmodell ist theoretisch sehr voraussetzungsvoll, wie im Vergleich mit Montesquieus Prämissen bereits gezeigt wurde. Für das Verständnis der demokratischen Variante der Gewaltenteilung, wie sie unter anderem von John Locke und Immanuel Kant, aber auch von Rousseau1 vertreten wurde, steht im Folgenden allerdings eine Klärung der Begriffe "Souveränität" und insbesondere "Volkssouveränität" noch aus. Hatte Montesquieu formuliert, eine ausschließliche Option für die Republik gegen die Monarchie heiße nichts anderes, als dass man "die Macht des Volkes mit der Freiheit des Volkes verwechsele",2 so hat das von den demokratischen Theoretikern begründete Modell genau diese Identifikation zur Voraussetzung. Dieses letztere Modell beschränkt sich nicht auf eine defensive Freiheitssicherung der Bürger gegen von ihnen getrennte Machtapparate, welche sich gegenseitig beschränken, sondern lokalisiert die Kontrolle aller gewalthabenden Staatsapparate an der Basis der Gesellschaft. Freiheitssicherung liegt hier in den Händen der Staatsbürger selbst, die am Gesetzgebungsprozess partizipieren3 und zugleich einen Rechtsanspruch4 darauf haben, dass sämtliche staatlichen Instanzen den Volkswillen beachten, das heißt die demokratischen Gesetze anwenden bzw. nur im Rahmen dieser Gesetze tätig werden.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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