Ausgabe Juli 2005

Zocken leicht gemacht

Kaum eine Zunft versteht sich besser auf die einfühlsame Pflege der politischen Landschaft als die Spielautomatenbranche. Dergleichen ist auch bitterlich vonnöten, denn schließlich handelt es sich um eines der umstrittensten Gewerbe im Lande. Fast 200000 Geldspielgeräte stehen in deutschen Kneipen und Spielhallen. Jedes bringt pro Jahr an die 20 000 Euro. Und von jedem Euro Spieleinsatz werden im Durchschnitt nur 52 Cent wieder als Gewinn ausgeschüttet. Der Rest verbleibt beim Betreiber und beim Staat. Wandern die ausgeschütteten Gewinne wieder in den Geldschlitz, so sind nach drei Durchgängen folglich etwa 6 von 7 Euro verschwunden.

Dass bei derart geringen Chancen überhaupt gespielt wird, erscheint als rätselhaft. Doch kaum jemand durchblickt das so genau. Und wie Fische von blinkenden Angelhaken werden Menschen vom Brimborium aus Gebimmel, kaleidoskopischen Farbspielen und Flackerlämpchen angezogen. Etwa 3,8 Mrd. Euro pro Jahr verzockt allein in diesen Klimperkisten – das ist fürwahr kein Pappenstiel. Doch alarmierender als dieser Milliardenverlust insgesamt ist dessen Verteilung. Es trifft vor allem die ganz Armen: Männer, die von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld leben, auch Familienväter, vergeuden oft in wenigen Stunden alles an Barem, pumpen noch bei Kumpeln und Kredithaien und verschulden sich heillos.

Es ist paradox, dass diese so gut wie aussichtslose Lotterie eine solche Suchtwirkung erzeugt.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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