In den vergangenen Monaten konnte die ungeliebte britische Provinz auf der irischen Insel beinahe so viele internationale Schlagzeilen verbuchen wie zu manchen Zeiten des Bürgerkrieges in den 70er und 80er Jahren. Der Tenor der Kommentatoren schwankt, wie meist seit dem 1998 geschlossenen Belfaster Friedensabkommen, zwischen Euphorie und tiefem Pessimismus. Die Ambivalenzen der nordirischen Realität und ihrer öffentlichen Wahrnehmung scheinen sich auch nach den Wahlen zum britischen Unterhaus vom 5. Mai 2005 fortzusetzen.
Als im November 2004 nach fast zweijährigem Tauziehen ein britisch-irischer Vorschlag für die Wiedereinsetzung der Belfaster Selbstverwaltung auf dem Tisch lag, der eine Regierungsbeteiligung der radikalen Parteien – der protestantisch- unionistischen Democratic Unionist Party (DUP) sowie der katholischen- republikanischen Sinn Fein (SF) – vorsah, erblickten deutsche Medien "Neue Hoffnung auf Frieden in Nordirland". Ein neues Angebot, mit dem die IRA einen vollständigen Akt der Abrüstung ihrer Waffenarsenale vor den Augen unabhängiger internationaler Zeugen ankündigte – als Eintrittsvoraussetzung für die Regierungsbeteiligung der SF – scheiterte jedoch kurz darauf an der Zusatzbedingung des DUP-Führers Ian Paisley, diesen Vorgang auch fotografisch zu dokumentieren. Die IRA sah in der Aufforderung, "in Sack und Asche" zu gehen, eine Demütigung und Zumutung.