Ausgabe April 2009

Demos statt Ethnos

Plädoyer für ein EU-Volk jenseits des Homo Europaeus

Im 15. Jahrhundert landeten die Spanier auf den Kanarischen Inseln und entdeckten die Guanchen. Papst Eugen IV. erklärte sie 1434 per Erlass zu „Menschen“ und gar zu „freien Leuten“ – immerhin waren die Guanchen nach spanischen Berichten „groß, blond und blauäugig, wenn auch dunkelhäutig“ und damit ganz nah am „europäischen Menschen“, dem homo europaeus.

Heute stranden auf den Kanaren täglich dutzende Bootsflüchtlinge. Sofern sie es dauerhaft ins EU-Hoheitsgebiet schaffen, unterliegen die Flüchtlinge wie Millionen andere bereits in Europa lebende „Ausländer“ dann einer anderen, modernen und vorgeblich politisch korrekten Kategorisierung mit all ihren Implikationen. Allerdings ist es heute nicht mehr die Geistlichkeit, die die Menschen zu „freien Leuten“ erklärt, sondern die Europäische Union (EU) und ihre Mitgliedstaaten. Sie definieren die Menschen auf ihrem Territorium als „EU-Bürger“, „Drittstaatsangehörige“, „(De-facto-)Flüchtlinge“ oder schlicht als „Illegale“.

Doch welcher Kategorie man angehört, hat umfassende Auswirkungen – nicht zuletzt auf die Möglichkeiten politischer Partizipation.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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