Man stelle sich vor, Sarrazin hätte bei seinem Bestseller auf die brisante Melange aus provokanter Wortwahl und Biologismus verzichtet. In Deutschland gäbe es dann lediglich ein „Sachbuch“ mehr zum leidigen Thema Bildungspolitik und den trüben Aussichten für die nächsten Generationen. Kaum jemand hätte daran großes Interesse gezeigt, niemand sich darüber aufgeregt. Doch Sarrazins waghalsige Bezugnahme auf die Evolutionsbiologie, die Vererbbarkeit von Intelligenz und die „enorme Fruchtbarkeit“ der muslimischen Mitbürger als Stütze seiner politischen Hauptthesen haben dem vorgebeugt. Seine hitzigen Ausführungen – die ihre Dummheit vererbenden Muslime breiteten sich zunehmend in Deutschland aus, während die eingeborene Bevölkerung und damit die vererbte Intelligenz ausstürben – haben in Medien, Bevölkerung und Politik gewaltige Wellen geschlagen, die noch lange nicht verebbt sind.
Die großen, überregionalen Tageszeitungen und auch „Zeit“ und „Spiegel“ haben nicht nur der politischen Kritik an Sarrazins Buch Raum gegeben, sondern ebenso den Unterstützern und Verteidigern ganze Seiten zur Verfügung gestellt. In zahlreichen Artikeln wird Sarrazin eifrig bescheinigt, dass er im Großen und Ganzen doch nur den Stand der Wissenschaft referiere – unter anderen von den Psychologen, die einen Teil seiner Quellen ausmachen.