Ausgabe Januar 2010

Der vierte Versuch der Emanzipation

Wie westlich ist die iranische Opposition?

War alles nur ein Spuk? Die Millionen auf den Straßen Teherans, die grünen Bänder, Gesänge, Victory-Zeichen? Die westlichen Medien badeten in diesem Sommer schier in den Protesten, Iran auf allen Kanälen. Und dann: Schweigen. Neuerliche Atomverhandlungen mit Ahmadinedschad, eben noch der Schurke im Stück. Als wäre nichts gewesen.

Die westlichen Medien und die westlichen Regierungen haben die iranische Demokratiebewegung erst an ihre Brust gerissen und dann genauso schnell wieder fallen gelassen – beides aus zweifelhaften Motiven. Aber auch bei unabhängigen Geistern ist das intellektuelle Interesse schnell erlahmt. Im Iran wird wieder gefoltert? Das ist nicht hip.

Es gab und gibt in der Betrachtung des Iran stets einen Hang zum Extremen. Verdammen oder verklären – dazwischen ist wenig. Und selbst die Abscheu verrät eine eigentümliche Faszination. Lange war der nachrevolutionäre Iran nur eine dunkle Silhouette: unverständlich, unzugänglich, verschleiert, dämonisch. Verdichtet zum Klischee der Düsternis wurde der Iran die Mutter aller Islamophobien, lange vor Nine Eleven. Dann, nach der Präsidentschaftswahl im Juni, plötzlich dieser Ansturm von Hellem, Vertrautem. Vertraute Konturen, vertraute Ästhetik: Makeup, getönte Strähnchen, Handys in schönen Frauenhänden. Und dann noch Facebook, Twitter, YouTube.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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