Ausgabe April 2013

Deutsche auf Widerruf

In diesem Jahr feiert der erste Jahrgang der „optionspflichtigen“ Deutschen mit doppelter Staatsbürgerschaft seinen 23. Geburtstag – insgesamt rund 3300 in Deutschland geborene Frauen und Männer. Doch statt freundlicher Grußkarten droht ihnen unangenehme Post von den Behörden: Denn wer zwei oder mehrere Staatsangehörigkeiten besitzt und nicht rechtzeitig die Entlassung aus der türkischen, polnischen, ghanaischen, russischen oder irgendeiner anderen Staatsbürgerschaft beantragt oder sich bis zum 21. Geburtstag um eine „Beibehaltungsgenehmigung“ für die Staatsbürgerschaft der Eltern bemüht hat, verliert automatisch den deutschen Pass. Weit über 30 junge Deutsche haben sich in den ersten Monaten dieses Jahres auf diese Weise bereits unfreiwillig in Ausländer verwandelt.

Selbst wer seine zweite Staatsbürgerschaft gar nicht abgeben muss, wie EU-Bürger oder Schweizer, oder kann, etwa bei Staaten, die ihre Staatsbürger generell nicht entlassen, wie Afghanistan, Algerien, Kuba, Eritrea, Iran oder Marokko, muss aktiv werden, will er oder sie nicht unfreiwillig ausgebürgert werden.

Derzeit gibt es über 440 000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die zwar in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, aber sich im Gegensatz zu vielen ihrer gleichaltrigen Freunde und Kollegen zwischen der deutschen Staatsangehörigkeit und der ihrer Eltern entscheiden müssen.

Sie haben etwa 10% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 90% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1.00€)
Digitalausgabe kaufen (9.50€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Warnungen aus Weimar

von Daniel Ziblatt

Autokraten sind vielerorts auf dem Vormarsch. Ihre Machtübernahme ist aber keineswegs zwangsläufig. Gerade der Blick auf die Weimarer Republik zeigt: Oft ist es das taktische Kalkül der alten Eliten, das die Antidemokraten an die Macht bringt.

Von Milošević zu Trump: Die bosnische Tragödie und der Verrat an den Bürgerrechten

von Sead Husic

Es herrschte keine Freude bei der bosnisch-herzegowinischen Regierungsdelegation am 22. November 1995 auf dem Wright-Patterson-Luftwaffenstützpunkt in Dayton. Eben hatte sie dem Friedensabkommen mit der Bundesrepublik Jugoslawien, die noch aus Serbien und Montenegro bestand, und Kroatien zugestimmt, doch sie fühlte sich betrogen.