Ausgabe Oktober 2014

Liberaler Totalitarismus?

Zur Aktualität von Herbert Marcuse

Wenige Intellektuelle haben ihren Stern so hell leuchten und dann so schnell verblassen sehen wie Herbert Marcuse. Vor genau 50 Jahren erschien „One-Dimensional Man“ (Der eindimensionale Mensch), um 1968 herum haben praktisch alle das Buch gelesen; es wurde vom Englischen in Dutzende Sprachen übersetzt. Das „New York Times Magazine“ bezeichnete Marcuse als ideologische Quelle der Neuen Linken, und „The Economist“ nannte ihn einen „alten Propheten für die Neue Linke in Paris“. In der französischen Hauptstadt, so stellte der Auslandsredakteur fest, „haben sie seinen Namen an den Barrikaden skandiert, und in ganz Westeuropa werden seine Bücher Teil des Evangeliums der Neuen Linken.“ Die sowjetische „Prawda“ lamentierte: „Marcuse, Marcuse – die westliche Presse hört nicht auf, den Namen dieses 70jährigen ‚deutsch-amerikanischen Philosophen‘ zu wiederholen, der plötzlich aus dem Schatten der Vergessenheit aufgetaucht ist. [Er] ist ausgezogen, den Marxismus zu widerlegen [und] wird wie ein Filmstar angekündigt.“

Heute ist Marcuse ein altmodisches Relikt. Seit seinem Tod 1979 wird er nur von wenigen Wissenschaftlern rezipiert.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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