1.6. – Spanien. Das Parlament entzieht der Minderheitsregierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy (Partido Popular/PP) mit 180 von 350 Stimmen das Vertrauen. Rajoy und sein Kabinett müssen zurücktreten. Neuer Regierungschef wird Sozialistenchef Pedro Sanchez (Partido Socialista Obrero Espaniol/PSOE). – Am 2.6. kann die neue Regionalregierung für Katalonien offiziell die Amtsgeschäfte übernehmen. Damit endet automatisch die monatelange Zwangsverwaltung durch die Zentralregierung (vgl. „Blätter“, 12/2017, S. 109). Der neuen von Quim Torra geführten Regionalregierung gehören ausschließlich Mitglieder separatistischer Parteien an, die nicht von Strafverfahren im Zusammenhang mit dem Unabhängigkeitsreferendum betroffen sind. Der abgesetzte Regionalpräsident Puigdemont hält sich weiterhin im Ausland auf. In Madrid spricht man von einer „Geste der Normalisierung“. Die Ministerin für Territorialpolitik Meritxell Batet fordert einen intensiven Dialog mit Barcelona, man müsse über eine Verfassungsreform und die Möglichkeit eines Föderalstaates debattieren. – Am 10.6. demonstriert im Baskenland die Bewegung „Gure Esku Dago“ (Es liegt in unserer Hand) mit einer 202 km langen Menschenkette, die die Stadt San Sebastian mit der Regionalhauptstadt Vitoria verbindet, für das Recht auf Selbstverwaltung der spanischen Region.
– Italien. Fast drei Monate nach den Parlamentswahlen (vgl. „Blätter“, 5/2018, S. 125) kann eine neue Regierung die Arbeit aufnehmen. Die Vorsitzenden der Fünf-Sterne-Bewegung (Cinque Stelle) und der Lega Nord, Luigi di Maio und Matteo Salvini, hatten sich in langen und mehrfach unterbrochenen Verhandlungen auf die Bildung einer Koalition geeinigt, um Neuwahlen abzuwenden. Staatspräsident Matarella beauftragt den parteilosen Juristen Giuseppe Conte mit der Regierungsbildung. In seiner Antrittsrede bekennt sich Conte vor dem Senat in Rom zu Europa und zum atlantischen Bündnis und kündigt gleichzeitig eine markante Wende in der Migrationspolitik an. „Wenn Populismus als Neigung zum Anhören der Bedürfnisse der Menschen aufgefasst wird“, so definiert Conte, „dann sind wir stolz auf diese Bezeichnung“.
3.6. – BRD/Frankreich. Bundeskanzlerin Merkel äußert sich in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ zu Vorschlägen des französischen Präsidenten Macron über eine Weiterentwicklung der Europäischen Union und der Eurozone (vgl. u.a. „Blätter“, 11/2017, S. 127). Die Bundeskanzlerin begrüßt zwar ausdrücklich die Schaffung eines eigenen Budgets für die Eurozone, um wirtschaftliche Unterschiede in den Mitgliedstaaten auszugleichen und Strukturreformen zu unterstützen. Dieser „Investivhaushalt“ solle jedoch anders als bei Macron nur „im unteren zweistelligen Milliardenbereich“ liegen. – Am 19.6. findet auf Schloss Meseberg bei Berlin ein deutsch-französischer Ministerrat statt. Wichtigste Übereinkunft ist die von Macron angeregte Schaffung eines eigenen Eurozonenbudgets. Angaben über die Höhe des Budgets werden nicht gemacht.
5.6. – Österreich/Russland. Präsident Putin kommt zu einem Kurzbesuch nach Wien. Anlass ist der 50. Jahrestag des Gasliefervertrags zwischen Österreich und der Sowjetunion. Vizekanzler Strache (FPÖ) hatte wenige Tage zuvor in einem Zeitungsinterview erklärt, es sei höchste Zeit, die „leidigen“ EU-Sanktionen gegen Moskau zu beenden und die Beziehungen zu normalisieren.
6.6. – OAS. Die Organisation Amerikanischer Staaten leitet auf ihrer Generalversammlung in Washington ein Ausschlussverfahren gegen Venezuela ein. Anlass sind die Vorgänge um die Verlängerung der Amtszeit von Präsident Maduro im Mai d.J. (vgl. „Blätter“, 7/2018, S. 127). Für das Ausschlussverfahren stimmen 19 der 34 Mitgliedstaaten der Organisation.
8.6. – UNO. Die Generalversammlung in New York wählt Belgien, Deutschland, die Dominikanische Republik, Indonesien und Südafrika für die Jahre 2019 und 2020 als nichtständige Mitglieder in den Sicherheitsrat. Für Deutschland stimmen 184 der 193 UN-Mitglieder. – Am 19.6. verlassen die USA den Menschenrechtsrat (Human Rights Council/HRC), dem 47 UN-Mitglieder angehören. Washington wirft dem Gremium Voreingenommenheit und Einseitigkeit vor. Dies gelte vor allem gegenüber Israel. – Am 28.6. üben das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und die Internationale Organisation für Migration IOM Kritik; weil die Europäische Union politisch gelähmt sei, müssten Unschuldige leiden. Die EU-Staaten müssten schnellstens eine gemeinsame Lösung für die ganze Region finden, um weiteres Sterben auf See zu verhindern. Zuletzt hatte die „Lifeline“, das Schiff einer deutschen Nichtregierungsorganisation mit über 250 Flüchtlingen an Bord, im Mittelmeer kreuzen müssen, weil die angrenzenden EU-Staaten, vor allem Italien, Spanien und Malta, die Einfahrt in ihre Häfen verweigerten. Malta erlaubt schließlich die Einfahrt in den Hafen Valletta, verlangt aber die Verteilung der Flüchtlinge auf andere EU-Staaten. Die „Lifeline“ wird beschlagnahmt, der Kapitän angeklagt.
8.-9.6. – G7-Gipfel. Die Staats- und Regierungschefs von sieben Industriestaaten treffen sich in Charlevoix bei Quebec zu ihrem jährlichen Gipfel. Gastgeber ist der kanadische Premierminister Trudeau. Im Mittelpunkt der Konferenz steht der von US-Präsident Trump entfachte internationale Handelskonflikt. Trump zieht seine zunächst gegebene Zustimmung zu einer gemeinsamen Abschlusserklärung unmittelbar nach seiner Abreise zurück.
12.6. – USA-Korea-Gipfel. Nach intensiver Vorbereitung (vgl. „Blätter“, 7/2018, S. 125) treffen die Staatschefs der Vereinigten Staaten und der Demokratischen Volksrepublik Korea (Nordkorea) Donald Trump und Kim Jong-un in Singapur zusammen. In einer gemeinsamen Erklärung bekräftigen beide Seiten ihren Willen, den Entspannungsprozess voranzutreiben und eine stabile Friedensordnung für die koreanische Halbinsel anzustreben. Die am 27. April d.J. unterzeichnete Erklärung von Panmunjom über die Denuklearisierung wird bestätigt (vgl. „Blätter“, 6/2018, S. 127). US-Außenminister Pompeo hatte mehrfach betont, dass die Regierung Trump nur eine „vollständige, nachweisbare und unwiderrufliche“ Abrüstung Nordkoreas akzeptieren werde. – Am 24.6. verlängert Präsident Trump die Sanktionen gegen Nordkorea um ein weiteres Jahr. Handeln und Politik der Regierung in Pjöngjang stellten weiterhin eine „außerordentliche Bedrohung“ für die nationale Sicherheit, die Außenpolitik und die Wirtschaft der USA dar. Wenige Tage zuvor hatten die USA die von Nordkorea heftig kritisierten gemeinsamen Militärmanöver mit Südkorea ausgesetzt.
– Griechenland/Mazedonien. Der griechische Ministerpräsident Tsipras und der mazedonische Regierungschef Zaev legen den seit 27 Jahren schwelenden Streit über den Namen der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik bei. Mazedonien soll künftig Republik Nord-Mazedonien (Severna Makedonija) heißen, um eine Verwechslung mit der nordgriechischen Provinz Mazedonien auszuschließen. Bei der Unterzeichnung einer entsprechenden Vereinbarung am 17. Juni sind auch die EU-Außenbeauftragte Mogherini, EU-Erweiterungskommissar Hahn sowie Vertreter der Vereinten Nationen anwesend. Athen sichert zu, den bisherigen Widerstand gegen eine Aufnahme Mazedoniens in die Nato und die Europäische Union aufzugeben.
13.6. – EU. Die Kommission kündigt in Brüssel an, der Europäische Verteidigungsfonds (EDF) werde für die Jahre von 2021 bis 2027 mit 13 Mrd. Euro ausgestattet, um die Entwicklung von Waffensystemen zwischen den Mitgliedstaaten zu koordinieren. – Am 21.6. lehnen die vier Visegrád-Staaten Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakei (V4) erneut eine Verteilung von Asylbewerbern nach EU-Quoten ab. – Am 24.6. bereiten Vertreter von 16 Mitgliedstaaten in Brüssel den bevorstehenden EU-Flüchtlingsgipfel vor. Die Visegrád-Staaten bleiben der Sitzung fern. – Am 28.6. verteidigt Bundeskanzlerin Merkel im Bundestag ihre bisherige Flüchtlingspolitik und warnt, die Migration „könnte zu einer Schicksalsfrage für die Europäische Union werden“. In Berlin heißt es, die Kanzlerin strebe eine europäische Lösung in der Asylpolitik an und lehne einen deutschen Alleingang ab. – Am 28. und 29.6. einigt sich der Europäische Rat der Regierungschefs in Brüssel nach stundenlangen und kontroversen Diskussionen auf verschiedene Maßnahmen. Für die Aufnahme von Flüchtlingen sind u.a. „Anlandeplattformen“ außerhalb der EU und „Aufnahmezentren“ innerhalb der EU vorgesehen. Medien bezeichnen die Beschlüsse als einen Kompromiss voller Absichtserklärungen.
– Niederlande. Premierminister Rutte setzt sich für einen kleineren EU-Haushalt nach dem Brexit ein. Die Eurozone solle nicht durch Transfers stabilisiert werden, sondern durch ausgeglichene Haushalte und Schuldenabbau in den 19 Eurostaaten.
14.6. – CDU/CSU. Zwischen den beiden „Schwesterparteien“ kommt es zum offenen Streit über die künftige Migrations- und Asylpolitik. In Berlin wird die Sitzung des Bundestages für Stunden unterbrochen, um den Abgeordneten von CDU und CSU Gelegenheit für getrennte Beratungen zu geben. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob Deutschland künftig alle Personen an der Grenze zurückweisen soll, die schon in einem anderen EU-Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben. Der CSU-Vorsitzende und Bundesinnenminister Seehofer ist dafür, die CDU-Vorsitzende Bundeskanzlerin Merkel bevorzugt dagegen eine europäische Lösung. Beide Positionen stehen sich zunächst unversöhnlich gegenüber.
15.6. – USA/China. Präsident Trump verhängt gegen die Volksrepublik China Strafzölle auf Waren im Wert von 50 Mrd. US-Dollar. Peking, so heißt es, bediene sich unfairer Praktiken. China kündigt Vergeltungszölle auf amerikanische Waren im Wert von ebenfalls 50 Mrd. Dollar an. Fachleute warnen, der Handelsstreit zwischen den beiden größten Volkswirtschaften könne sich zu einer Bedrohung für die Weltwirtschaft entwickeln.
18.6. – SIPRI. Das Stockholmer Internationale Friedensforschungs-Institut stellt in einem Bericht fest: „Alle Staaten, die Atomwaffen besitzen, haben entweder begonnen, sie zu modernisieren oder langfristige Programme dafür angekündigt.“ Keiner der Staaten sei bereit, „für die absehbare Zukunft auf nukleare Abrüstung hinzuarbeiten“. Nach Erkenntnissen des Instituts verfügen neun Staaten über atomare Waffen, die USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, China,
Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea.
23.6. – Großbritannien. Im Londoner Stadtzentrum demonstrieren Zehntausende für eine zweite Volksabstimmung über den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Eine breite Allianz von proeuropäischen Gruppierungen verlangt, zum Ergebnis der Brexit-Verhandlungen mit Brüssel gehört zu werden. Es müsse die Möglichkeit geben, in der Union zu bleiben. – Am 26.6. verkündet der Speaker des Unterhauses, nach monatelanger Debatte sei das Gesetz zur Regelung des EU-Austritts in Kraft getreten. Königin Elizabeth habe das Gesetz unterzeichnet. Es lege fest, dass Großbritannien am 29. März 2019 um Mitternacht Brüsseler Zeit aus der Europäischen Union austritt. Gleichzeitig werde ein Gesetz aus dem Jahr 1972 aufgehoben, das das EU-Gemeinschaftsrecht über britisches Recht stellt.
24.6. – Türkei. Trotz des seit Juli 2016 geltenden Ausnahmezustands (vgl. „Blätter“, 9/2016, S. 127) findet die vorgezogene Präsidentenwahl und gleichzeitig die Parlamentswahl statt. Der Hohe Wahlrat teilt anschließend mit, Staatpräsident Recep Tayyip Erdogan habe mit knapp 53 Prozent der Stimmen schon im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit für eine weitere Amtszeit erhalten. Sein wichtigster Gegenkandidat, Muharrem Ince von der Republikanischen Volkspartei CHP, liege bei knapp 31 Prozent. Den dritten Platz belege der Kandidat der prokurdischen HDP, Selahattin Demirtas, der seinen Wahlkampf aus dem Gefängnis heraus geführt hatte (vgl. „Blätter“, 7/2018, S. 125). Zum Ergebnis der Parlamentswahl heißt es, das Parteienbündnis mit der von Erdogan geführten Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung AKP werde in der Großen Nationalversammlung (550 Mitglieder) ebenfalls über die absolute Mehrheit verfügen. Die prokurdische HDP kann die Zehnprozenthürde überwinden und ist im künftigen Parlament vertreten. Ince erkennt die Wahlergebnisse an, fordert jedoch Untersuchungen der gemeldeten Unregelmäßigkeiten und Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen. Ausländische Wahlbeobachter kritisieren die Behinderungen ihrer Tätigkeit.
27.6. – OPCW. Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) in Den Haag wird künftig nach einem Chemiewaffeneinsatz auch Indizien und Beweise über die möglichen Urheber veröffentlichen. Der von Großbritannien eingebrachte Beschluss wird mit 82 Stimmen angenommen, 24 Staaten, darunter Russland, stimmen gegen den Beschluss.
30.6. – USA. In vielen Städten gehen die Menschen auf die Straße, um gegen die Einwanderungspolitik von Präsident Trump zu demonstrieren. Unter der Losung „Families belong together“ (Familien gehören zusammen) wenden sich die Demonstranten gegen die Trennung von Flüchtlingsfamilien.