Dokumente zum Zeitgeschehen

»Alle Sinti und Roma werden zu potentiellen Kindesräubern gemacht«

Erklärung des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma zu romafeindlicher Berichterstattung, 5.11.2013

Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma ist tief besorgt über die Auswirkungen der nationalen und internationalen Berichterstattung über in Griechenland und Irland angeblich von Roma „geraubte blonde Kinder“. Aufgrund von Polizeiaktionen in Griechenland und anschließend in Irland waren Kinder von ihren Eltern bzw. Pflegeeltern getrennt und in staatlichen Gewahrsam genommen worden.

Die Polizeiaktionen basierten nach Auffassung des Zentralrates allein auf pseudo-ethnischen Kriterien, daß nämlich blonde Kinder bei Roma einen polizeilichen Verdacht auslösen. Daraufhin wurde in den Medien diese Polizeiaktion mit allen Formen von Kriminalität in einen spekulativen Zusammenhang gebracht: von Kindesentführung und –mißbrauch über Zwangsheirat bis zu unterstelltem Organhandel. Dabei haben einige Medien in ihrer Berichterstattung jeweils eigene Versionen des Falles erschaffen und Bilder eines angeblich „verstörten, von Roma verschleppten Kindes“ kreiert. Dieses Bild, das offenkundig nicht den Tatsachen entspricht, wurde in Deutschland und ebenso weltweit pauschal auf die gesamte Minderheit projiziert. Nur ein Teil der Medien hat, nachdem die Einzelheiten der Fälle klar wurden, eingeräumt, daß hier auch in der Berichterstattung alte antiziganistische Feindbilder wirksam waren.

Die verständliche, von dieser Berichterstattung hervorgerufene Reaktion hunderter von Eltern, deren Kinder vermißt werden, und die jetzt Hoffnung schöpfen, daß ihre Kinder möglicherweise von Roma verschleppt, aber am Leben seien, macht wiederum alle Sinti und Roma zu potentiellen Kindesräubern. Die Auswirkungen auf die Angehörigen der Sinti und Roma in Deutschland sind jetzt bereits massiv: Sinti in Deutschland berichten beim Zentralrat über ihr Gefühl von Scham und Entwürdigung im Umgang mit Nachbarn und Berufskollegen. Kinder von Sinti und Roma werden in der Schule von Schulkameraden gefragt, ob sie gestohlen wurden, oder ob sie selbst Kinder stehlen.

In ganz Europa und auch international wurde so die gesamte Roma-Minderheit pauschal stigmatisiert und kriminalisiert; weltweit wurden verschwundene Kinder bei Roma vermutet. In Serbien attackierten Skinheads eine Romafamilie, deren Kind blond ist. In Irland wurden Kinder allein aufgrund sogenannter „Beobachtungen aus der Bevölkerung“, und weil die Kinder blond waren, durch die Behörden durch einen unverhältnismäßigen Polizeieinsatz von ihren Eltern getrennt – ein anschließender DNA-Test bewies, daß die Kinder von ihren leiblichen Eltern getrennt worden waren.

Die vollständige Erklärung finden Sie hier (pdf).