Dokumente zum Zeitgeschehen

»Angeklagt wegen Landesverrat«

Stellungnahme der Redaktion von Netzpolitik.org, 3.8.2015

Am Donnerstag haben wir erfahren, dass der Generalbundesanwalt wegen Landesverrat gegen Andre Meister, gegen mich und gegen unsere Quellen namens »Unbekannt« ermittelt. Wir hatten aufgedeckt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz seine Kompetenzen zur Netzüberwachung massiv aufrüstet und das verfassungsrechtliche Fragen aufwirft. Wir haben neben unserer Berichterstattung und Einordnung als vertraulich eingestufte Ausschnitte von Haushaltsplänen des Verfassungsschutzes zum Beweis und zur Dokumentation online gestellt. So schnell wird man zum #Landesverräter.

#Landesverräter Nummer 3

Seitdem befindet sich unser Leben im Ausnahmezustand. Seit Donnerstag haben wir es schriftlich, dass wir für unsere Arbeit theoretisch für mindestens zwei Jahre ins Gefängnis kommen können. Anscheinend ist unsere Arbeit so gefährlich, dass wir die Ehre haben, als drittes Medium in der Geschichte der Bundesrepublik diese höchste Auszeichnung zu erhalten, die die Bundesregierung an Journalisten zu vergeben hat. Seit gestern wissen wir, dass das Ermittlungsverfahren gegen uns seit Mai läuft. Die Bundesregierung konnte heute nicht ausschließen, dass wir seitdem mit sämtlichen Mitteln in unserer journalistischen Arbeit, aber auch privat überwacht werden.

Unser Telefon klingelt seitdem fast ohne Unterbrechung und auf sämtlichen Kanälen erreichen uns Anfragen und Solidarisierungsgrüße. Das freut uns sehr. Wir haben immer gehofft, dass wir uns im Falle eines Ausnahmezustandes auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser, also Euch, verlassen können. Und wir sind unendlich glücklich, dass das im realen Leben auch eintritt.

Die Ermittlungen wegen Landesverrat laufen gegen Andre Meister und mich persönlich. Das bedeutet, dass wir im Falle eines Gerichtsverfahrens auch persönlich haften und dass ohne Unterstützung auch unseren finanziellen Ruin bedeuten könnte. Wir haben Anwälte eingeschaltet, die uns verteidigen werden. Das wird alles Geld kosten. Unsere Arbeit finanziert sich weitgehend über Spenden und die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser, also Euch. Diese Unterstützung hat uns in den vergangenen zwei Jahren ermöglicht, aus einer kleinen defizitären Zwei-Mann-Redaktion auf fünf Personen aufzurüsten (verteilt auf 3,75 Stellen), und die Auszeichnung als staatlich geprüfte Landesverräter im Anfangsverdacht zeigt, dass sich unsere Arbeit auch gelohnt hat.

Was seit Donnerstag passierte, macht uns glücklich.

Wir haben in dem Bericht zu den Ermittlungen am Donnerstag auch die Möglichkeit von Spenden erwähnt. Aufgrund der riesigen Anfrage und der noch größeren Berichterstattung waren unsere Server teilweise nicht erreichbar. Viele von Euch haben über Twitter, Facebook, Blogs & Co. unsere Spendendaten weiter verteilt. Damit wurde sogar unsere IBAN-Nummer zum Trending-Topic auf Twitter. Bis heute morgen waren über 50.000 Euro auf unserem Konto! Dafür möchten wir uns bei allen bedanken und uns vor Euch verneigen. Ihr seid toll und wir sind glücklich, solche Unterstützer wie Euch an unserer Seite zu haben!

Um die 50.000 Euro mal in Relation zu setzen: Im vergangenen Jahr haben wir insgesamt rund 180.000 Euro an Spenden eingenommen. In den Vormonaten erhielten wir im Schnitt 17.000 Euro an Spenden, die Hälfte davon in Daueraufträgen. Allein in vier Tagen 50.000 Euro zu bekommen, ist eine Menge Geld für uns, das uns helfen wird, unabhängig zu bleiben und vor allem, uns rechtlich gegen diese unverhältnismäßige Angriffe und Einschüchterungsversuche zu wehren und den Gegenangriff einleiten zu können.

Was am allerschönsten wäre

Das Schönste wäre: Wenn wir nur wenig Geld für rechtlichen Beistand ausgeben müssten und den Großteil in den Ausbau unserer Redaktion stecken könnten. Das würde dann bedeuten, dass der Einschüchterungsversuch durch den Verfassungsschutz & Co. ins Leere laufen würde und wir gestärkt aus der Sache hervorgehen würden. Wir hätten mehr Personal, um gegen die zunehmende Überwachung und den Abbau von Grundrechten investigativ und unabhängig berichten zu können.

Die vollständige Stellungnahme finden sie hier.