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»Daran kann keiner ein Interesse haben«

Stellungnahme des Max-Planck-Instituts zum Gesetzesentwurf für ein Leistungsschutzrecht für Verleger, 27.11.2012

Der Deutsche Bundestag wird in Kürze über eine Änderung des Urheberrechtsgesetzes beraten, durch die ein Leistungsschutzrecht für Verleger geschaffen werden soll. Weite Kreise der deutschen und europäischen Rechtswissenschaft sind darüber besorgt. Der Bedarf für ein solches Schutzrecht wurde bislang in keiner Weise nachgewiesen. Es besteht die Gefahr unabsehbarer negativer Folgen.

Mit diesem Schreiben werden die Gründe aufgeführt, die dagegen sprechen, die geltende Rechtslage zu verändern. Verantwortet wird der Text vom Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, das seit seiner Gründung im Jahre 1966 das politisch und wirtschaftlich neutrale Kompetenzzentrum in den von ihm betreuten Rechtsgebieten ist. Das Institut unterstützt insbesondere die deutsche und europäische Urheberrechtsentwicklung seit Jahrzehnten mit wissenschaftlicher Expertise. Unterstützt wird dieser Text von einer großen Zahl von Unterzeichnern, die im Anhang aufgeführt sind. 

1. Geltendes Recht

Im Kern sieht der Gesetzentwurf vor, Presseverlegern das Recht einzuräumen, namentlich Suchmaschinenbetreibern die Übernahme jeglicher Textbestandteile zu verbieten. Heute ist es üblich, dass solche Textteile („Snippets“) als Links verwendet werden, über die ein Benutzer auf die Originalseite des Presseverlegers geleitet wird.

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Tatsächlich darf das Urheberrecht in solchen Fällen auch nicht greifen, weil sonst der Einsatz von Links, die minimale Hinweise auf den zu findenden Inhalt enthalten, weitgehend blockiert würde. Die Notwendigkeit, diesen Freiraum zu gewähren, wird nicht nur in der Fachliteratur betont. Auch der Bundesgerichtshof hat stets explizit davon abgesehen, ein urheberrechtlich begründetes Verbotsrecht in Bezug auf das Setzen von Links zuzugestehen.

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Darüber hinaus gilt nach heutiger Rechtslage die Annahme, dass ein Rechteinhaber, der Inhalte offen ins Internet stellt statt sie mit technischen Schutzmaßnahmen zu verschlüsseln, stillschweigend in die beim Einsatz von Suchmaschinen üblicherweise anfallenden Nutzungshandlungen einwilligt.

2. Auswirkungen eines Verbotsrechts

Der Regierungsentwurf will diese Rechtslage mit einem neuen Verbotsrecht ändern. Der vorgeschlagene § 87f Abs. 1 soll dem Hersteller eines Presseerzeugnisses das ausschließliche Recht verleihen, das Presseerzeugnis oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen.

Dabei ist allerdings nicht anzunehmen, dass die Presseverleger dieses Verbotsrecht tatsächlich durchsetzen werden. Sie sind ganz im Gegenteil auf die Linksetzungen der Suchmaschinenbetreiber angewiesen, um die Leserschaft auf ihre Inhalte zu lenken. Dieses Interesse, von Suchmaschinen berücksichtigt zu werden, zeigt sich darin, dass es mit einfachen technischen Mitteln ohne weiteres möglich wäre, die heute üblichen Linksetzungen zu unterbinden. Presseverlage machen hiervon aber ersichtlich keinen Gebrauch.

In Wahrheit geht es also darum, dass Presseverleger gestützt auf das Verbotsrecht Nutzungserlaubnisse erteilen wollen – oder genauer: um die Möglichkeit, Lizenzeinnahmen zu erzielen. Verkannt wird dabei freilich, dass von einer gesetzlichen Regelung nicht nur große Akteure betroffen wären. Im Internet finden sich unzählige kleine Anwendungen, deren Betreiber finanziell weder in der Lage noch willens wären, Lizenzgebühren zu bezahlen.

Stattdessen würde auf deutsche Presseprodukte gar nicht mehr verlinkt, jedenfalls nicht unter Verwendung von Snippets, die für effiziente Internetrecherchen jedoch elementar sind. Daran kann aber keine der beteiligten Parteien ein Interesse haben. Die Verleger selbst würden sich ebenso schaden wie den Autoren der Beiträge, die damit über das Internet nur noch sehr schwierig gefunden werden könnten. Vor allem aber wären die deutsche Wirtschaft und die Allgemeinheit die Leidtragenden. Die Kommunikationsfreiheit ist denn auch mit guten Gründen durch Art. 5 GG geschützt.

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Nicht zuletzt verkennt der vorgeschlagene Ansatz, dass auch die Autoren eine entscheidende Rolle dafür spielen, dass Inhalte im Internet verfügbar sind. Das Schutzrecht für Presseverleger dient aber keineswegs ihren Interessen. Vor allem fehlt es an einer klaren Abgrenzung zwischen den Urheberrechten an den Inhalten der Online-Presseerzeugnisse einerseits und dem Leistungsschutzrecht am Presseerzeugnis andererseits. Eine solche Abgrenzung wird angesichts der erwähnten Schwierigkeit, den Schutzgegenstand des Leistungsschutzrechts zu definieren, ohnehin kaum möglich sein. Damit wird es unweigerlich zu Kollisionen zwischen Verleger- und Autorenrechten kommen. Namentlich wird der Journalist eines Beitrags in aller Regel ein Interesse haben, dass seine Beiträge auf Suchmaschinen verlinkt werden. Mit dem Leistungsschutzrecht läge die Entscheidung darüber jedoch allein in den Händen des Verlags. Der bloße Hinweis, das vorgeschlagene Schutzrecht dürfe „nicht zum Nachteil des Urhebers“ geltend gemacht werden, löst diesen Interessenkonflikt nicht auf, verschafft er den Autoren doch keinen unmittelbar durchsetzbaren Rechtsschutz gegen den Verlag.

5. Absehbare Folgen und Gefahren

Weil die Presseverleger gar kein Interesse daran haben, dass ihre Produkte von Suchmaschinen nicht erfasst werden, und weil aber auch anzunehmen ist, dass viele Dienstanbieter nicht bereit wären, auf deutsche Presseprodukte zu verlinken, wenn sie dafür Lizenzgebühren bezahlen müssen, dürfte das neue Schutzrecht in der Praxis leer laufen. Die meisten Verleger werden ohne Vergütung einwilligen, dass Links gesetzt werden – denn tun einzelne das nicht, andere aber schon, riskieren jene, die auf dem Schutzrecht beharren, im Internet jegliche Relevanz zu verlieren.

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Gesamthaft betrachtet scheint der Regierungsentwurf nicht durchdacht. Er lässt sich auch durch kein sachliches Argument rechtfertigen. Dass er überhaupt vorgelegt wurde, erstaunt schon aufgrund der Tatsache, dass bereits in einer Anhörung des Bundesministeriums der Justiz vom 28. Juni 2010 ein solches Schutzrecht praktisch einhellig abgelehnt wurde. Dahinter stehen selbst die Presseverleger nicht geschlossen.

Es fehlt damit jede Grundlage dafür, die vorgeschlagene Regelung zu verabschieden.

Die vollständige Stellungnahme finden Sie hier (pdf).