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»Das Herkunftsland ist von hoher Bedeutung«

Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zur Lohnanpassung von Ausländern am deutschen Arbeitsmarkt, 9.1.2013

Migration ist sowohl aus volkswirtschaftlicher Sicht als auch für die Migranten ein Gewinn, wenn deren ökonomische und soziale Integration im Aufnahmeland gelingt. Da Ausländer zum Zeitpunkt ihres Eintritts in den deutschen Arbeitsmarkt in der Regel deutlich niedrigere Löhne erzielen als Deutsche, sollte eine erfolgreiche Integration mit Lohnkonvergenz einhergehen, also mit einer Annäherung ihrer Löhne an das Niveau der deutschen Beschäftigten.

Auch wenn Integration von Migranten nicht ausschließlich auf ökonomischen Erfolg reduziert werden kann, stellt er zweifellos eine wichtige Grundlage für Zufriedenheit und soziale Anerkennung dar. In der vorliegenden Studie untersuchen wir deshalb die Löhne sozialversicherungspflichtig beschäftigter Ausländer in Deutschland. Dazu zählen sowohl Migranten als auch zum Teil Personen mit Migrationshintergrund, also Ausländer, die schon längere Zeit in Deutschland leben oder hier aufgewachsen sind. Die Angleichung ihrer Löhne an das Lohnniveau der Deutschen kann als wichtiger Indikator für die Arbeitsmarktintegration gesehen werden.

Probleme der Migranten beim Eintritt in den Arbeitsmarkt

Ausländer erhalten zum Zeitpunkt ihres Einstiegs in den deutschen Arbeitsmarkt in der Regel deutlich geringere Löhne als Deutsche. Dafür kommen mehrere Ursachen in Betracht. Möglicherweise passen die aus dem Herkunftsland mitgebrachten Qualifikationen nicht oder nur unzureichend zum deutschen Arbeitsmarkt. Das ist beispielsweise der Fall, wenn die Migranten im Entsendeland andere Arbeitsmittel eingesetzt haben oder Produktionsprozesse dort anders organisiert waren. Die Nutzbarmachung mitgebrachter Qualifikationen könnte außerdem durch Sprachdefizite erschwert werden. Die Einstiegslöhne der Migranten sind auch dann niedrig, wenn diese in der deutschen Joblandschaft weniger gut orientiert sind. Sie wissen also nicht genau, für welche Jobs sie geeignet sind und bewerben sich eventuell zunächst auf Stellen, die nicht optimal für sie passen. Diese Einstiegsprobleme werden verstärkt, wenn die im Ausland ausgestellten Zeugnisse für Arbeitgeber nur eingeschränkt aussagekräftig und vergleichbar sind. Migranten könnten deswegen tendenziell in Jobs eingestellt werden, die unter ihrem Qualifikationsniveau liegen.

Die ungünstige Informationslage der Migranten und die mangelnde Vergleichbarkeit von Zeugnissen bieten auch Spielraum für Lohndiskriminierung. In der vorliegenden Studie können wir aber keine Aussagen über die Existenz und das Ausmaß von Lohndiskriminierung gegenüber Ausländern machen.

Leider erlauben unsere Daten keine trennscharfe Unterscheidung zwischen neu eingereisten und in Deutschland aufgewachsenen Ausländern. Für einige Staatsangehörigkeiten (vor allem die türkische) enthält die beobachtete Gruppe relativ viele hier aufgewachsene Ausländer. Die Ursachen für die niedrigen Einstiegslöhne dieser Gruppe sind wohl auch bei der mangelnden Integration in das deutsche Bildungssystem zu suchen.

Die Probleme der Migranten beim Eintritt in den deutschen Arbeitsmarkt sind aber natürlich kein unabänderliches Schicksal. Während einer Berufstätigkeit können z. B. fehlende oder nicht genau passende Qualifikationen oft „nebenbei“ am Arbeitsplatz erworben werden („training on the job“). Auch Sprachbarrieren sollten durch alltägliche Kommunikation mit den Arbeitskollegen zumindest zum Teil abgebaut werden. Im Laufe der Zeit verbessert sich zudem die allgemeine Orientierung der Migranten auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Sie können sich dann auf besser passende Jobs bewerben. Weil die Tätigkeit im Betrieb auch Arbeitgebern Gelegenheit bietet, die Qualifikationen und Leistungen von Migranten besser kennen zu lernen und zu bewerten, verringert sie im Laufe der Zeit auch das Problem einer mangelnden Vergleichbarkeit ausländischer Zeugnisse. So kann eine Berufstätigkeit auch bei ungünstigen und schwierigen Startbedingungen der besseren Integration von Ausländern dienen.

Was wird untersucht?

Um detailliert zu erfassen, wie sich die einzelnen Faktoren (z. B. Qualifikation, Sprachbarrieren, Vergleichbarkeit von Zeugnissen oder Diskriminierung) auf die Unterschiede im Lohnniveau auswirken, müssten unrealistisch hohe Anforderungen an den Informationsgehalt der verwendeten Daten gestellt werden. Eine Interpretation der beobachteten durchschnittlichen Niveauunterschiede ist deshalb mit dem hier verwendeten Analysemodell nicht möglich und in diesem Beitrag auch nicht beabsichtigt. Deutlich einfacher und ebenso relevant ist es, einige Ursachen dafür zu identifizieren, wie sich die Löhne von Ausländern an die Löhne von deutschen Beschäftigten anpassen oder eben nicht.

Ziel der vorliegenden Studie ist es zu analysieren, ob, in welchem Umfang und aus welchen Gründen sich die Lücke in der Entlohnung zwischen Ausländern und Deutschen auf dem Arbeitsmarkt verringert. Unsere Datenbasis enthält alle sozialversicherungspflichtig beschäftigten Ausländer und ist damit groß genug, um Migranten aus vielen verschiedenen Herkunftsländern zu untersuchen und Unterschiede zwischen diesen zu identifizieren.

Die Analyse beschränkt sich aus zwei Gründen auf vollzeitbeschäftigte Männer:

- Unsere Datenquelle enthält keine exakten Angaben über die Arbeitszeit. Diese lässt sich nur nach drei Kategorien unterscheiden, nämlich Vollzeit, mindestens 50 Prozent der Vollzeitarbeit und weniger als 50 Prozent der Vollzeitarbeit. Für Teilzeitbeschäftigte – bei denen die Arbeitszeiten sehr viel stärker variieren als bei Vollzeitbeschäftigten – könnten Gehaltsunterschiede zwischen Migranten und Deutschen durch unterschiedliche Arbeitszeiten bedingt sein. Bei Vollzeitbeschäftigten sind arbeitszeitbedingte Lohnunterschiede dagegen bei großer Beobachtungszahl vernachlässigbar.

- Die Beschränkung auf Männer erfolgt, weil die Teilzeitbeschäftigung bei ihnen deutlich seltener vorkommt als bei Frauen.

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Fazit

Ein wichtiger Faktor für die Integration von Migranten im Aufnahmeland ist ihr Erfolg auf dem Arbeitsmarkt. Als ein Maß dieses Erfolgs untersuchen wir die Lohnanpassung sozialversicherungspflichtig beschäftigter männlicher Ausländer im Vergleich zu deutschen Beschäftigten.

Werden Ausländer, die im Jahr 2000 eine Vollzeitbeschäftigung auf dem deutschen Arbeitsmarkt aufgenommen haben, insgesamt betrachtet, lag ihr durchschnittliches Lohnniveau bei 64 Prozent des durchschnittlichen Lohnniveaus der Deutschen. Bis zum Jahr 2008 stieg dieser Anteil auf rund 72 Prozent. Damit holen Migranten im beobachteten Zeitraum im Durchschnitt also in der Tat gegenüber den Deutschen auf.

Eine Zerlegung der Anpassungsrate in einzelne Effekte zeigt, dass sich die Löhne überwiegend infolge beobachteter Merkmale wie Betriebszugehörigkeit, den Wechsel in besser bezahlte Berufe und Sektoren oder auch durch eine zunehmende Beschäftigungsstabilität anpassen. Diese Effekte sind zum einen Ausdruck erfolgreicher Suche, zum anderen deuten sie auf eine Verbesserung des betriebsspezifischen Humankapitals einer Person hin. Auf der aggregierten Ebene scheinen weder Alters­ und Trendeffekte noch Kompositionseffekte eine bedeutende Rolle zu spielen.

Die Gesamtergebnisse verdecken allerdings völlig die Unterschiede zwischen den einzelnen Nationalitäten in Deutschland. Wir betrachten dreißig Gruppen und finden höchst unterschiedliche Anpassungsraten, die von +43 Prozentpunkten bei den Franzosen bis zu ­6 Prozentpunkten bei Afghanen reichen. Interessanterweise sind die Konvergenzraten für Migranten aus den Ländern am höchsten, die schon zum Zeitpunkt des Eintritts in den deutschen Arbeitsmarkt relativ viel verdienten. Gerade für Männer aus diesen Ländern – neben Frankreich sind es insbesondere osteuropäische Länder – zeigt sich aber, dass die hohen Anpassungsraten vor allem auf Kompositionseffekte zurückgeführt werden können. Das bedeutet, dass die weniger erfolgreichen Franzosen, Rumänen oder Slowaken den Arbeitsmarkt bzw. Deutschland eher verlassen. Allein dadurch steigen die Durchschnittslöhne der betreffenden Gruppe im Zeitablauf, ohne dass die Löhne der Einzelnen sich erhöhen müssen.

Für Gruppen mit niedrigeren Einstiegslöhnen sind auch die Anpassungsraten tendenziell niedriger, Kompositionseffekte spielen bei diesen Ländern tatsächlich eine untergeordnete Rolle. Die Lohnanpassung erfolgt beispielsweise bei Türken, Italienern oder Griechen in erster Linie über längere Betriebszugehörigkeit, über zunehmende Beschäftigungsstabilität sowie über den Wechsel in besser bezahlte Sektoren und Berufe – also durch Sucherfolge. Diese spielen bei Personen aus Ländern mit einer anfangs geringen Anpassungsrate eine weit größere Rolle als bei Ausländergruppen mit sehr hohen Anpassungsraten.

Dies unterstreicht noch einmal, dass eine rein deskriptive Analyse von durchschnittlichen Wachstumsraten kaum Rückschlüsse auf ökonomische Integration und Arbeitsmarkterfolge auf individueller Ebene erlaubt. Enorm wichtig ist auch, nach Nationalitäten zu differenzieren, um der großen Heterogenität der in Deutschland lebenden Ausländer Rechnung zu tragen.

Den vollständigen Bericht finden Sie hier.