Dokumente zum Zeitgeschehen

»Das Wirtschaftsprogramm der AfD ist eine weitgehend neoliberale Reformagenda«

Analyse der Otto-Brenner-Stiftung, 2.12.2021

Wie viele andere populistisch-rechtsradikale Parteien in Europa und darüber hinaus profitiert die AfD von einem allgemeinen Aufschwung populistischer Parteien. Diese haben es im Nachgang der Wirtschafts- und Finanzkrise 2007/08 und vor allem im Zuge der Migrationsbewegungen 2015 geschafft, ein  – oberflächlich stimmiges – Bild der kollektiven sozialen Abstiegsangst der westlichen unteren Mittelschicht zu zeichnen. Vor allem so genannen ModernisierungsverliererInnen wird auf Basis eines populistischen Narratives der „ehrlichen“, „fleißigen“ und „hart arbeitenden“ Bevölkerung, die von „korrupten politischen Eliten“, dem „Establishment“ oder „AusländerInnen“ in ihrer Existenz gefährdet seien, das Gefühl vermittelt, dass traditionelle politische Parteien ihre legitimen Anliegen verraten würden. Die Benachteiligung dieser Bevölkerungsgruppen wird von populistisch-rechtsradikalen Parteien allerdings mehrheitlich nicht als sozioökonomischer Verteilungskonflikt oder als Konsequenz erhöhter Renditeerwartungen aufgrund einer zunehmend internationalisierten Arbeitsteilung verstanden. Ebenso wenig wird der steigende Konkurrenzdruck durch Flexibilisierungen am Arbeitsmarkt oder eine zurückhaltende Lohnpolitik, gerade bei unteren EinkommensbezieherInnen, als Ursache für den erlebten oder befürchteten sozialen Abstieg breiter Bevölkerungsschichten thematisiert. Vielmehr wird die nationale Identität der arbeitenden Menschen betont und auf dieser Basis der Anspruch auf soziale Teilhabe und Absicherung nur für die „einheimische“ Bevölkerung formuliert. Dadurch verkommt der Solidaritätsanspruch dieser Parteien zu einer Forderung nach „exklusiver Solidarität“ (Becker et al. 2018; Flecker et al. 2018).

Diese Ausrichtung auf eine Politik der „exklusiven Solidarität“ spiegelt sich auch in vielen Bundestagsreden von AfD-Abgeordneten wider. Zugleich positioniert sich die AfD in ihren programmatischen Grundlagentexten und in ihrer parlamentarischen Praxis sehr deutlich ordo- bzw. neoliberal. Ist diese Positionierung der Partei zum Zeitpunkt ihrer Gründung noch dadurch gut zu erklären, dass die relevanten AkteurInnen aus dem bürgerlich-konservativen Ökonomenmilieu stammten, ist die klare Kontinuität ordo-/neoliberaler sozioökonomischer Narrative bis heute angesichts der häufigen „kleinen Leute“-Rhetorik der AfD doch überraschend.

Auch im neuen Wahlprogramm der AfD 2021 spiegeln sich zu weiten Teilen ordo- bzw. neoliberale sozioökonomische Narrative wider. Die Häufigkeit mit der von „Wettbewerbsfähigkeit“, „Leistungsgerechtigkeit“ und „Entbürokratisierung“ gesprochen wird übertrifft Forderungen nach „sozialen“ Maßnahmen bei Weitem. Des Weiteren ist die Reduzierung von Steuerlast und staatlicher Regulationen ein fester Bestandteil der Partei-Programmatik, welche sich ausnahmslos in allen Politikbereichen finden lässt. Die Summe der programmatischen wirtschaftspolitischen Maßnahmen der AfD – von dieser als „Blue Deal“ (AfD 2021, S. 42) bezeichnet – kann als weitgehend ordo-/ neoliberale Reformagenda bezeichnet werden.

Die vollständige Analyse finden Sie hier.