Offener Brief von Rechtswissenschaftlichen Professor:innen und Wissenschaftler:innen des Völker- und Verfassungsrechts, 23.6.2025
Das Sondervermögen nach Art. 143h GG eröffnet für den Gesetzgeber die Möglichkeit, die zentralen öffentlichen Investitionen der kommenden Jahre zu gestalten. Dies ist nicht nur eine politische Weichenstellung, sondern auch eine verfassungsrechtlich hochrelevante Maßnahme.
Wir möchten mit diesem Beitrag auf die verfassungsrechtlichen Verpflichtungen aufmerksam machen, die im Rahmen der Errichtung und Verwendung des Sondervermögens gelten. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sind drei Aspekte von besonderer Bedeutung:
1. Der Staat ist verpflichtet, Klimaschutz effektiv und rechtzeitig sicherzustellen
Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 24. März 2021 festgestellt, dass das Klimaschutzgebot des Art. 20a GG die Einhaltung eines völkerrechtskonformen Reduktionspfades verlangt. Dieser Pfad ist nicht allein programmatischer Natur, sondern erfordert – wie auch im Klimaseniorinnen-Urteil des EGMR vom 9. April 2024 betont – die tatsächliche Umsetzung geeigneter Maßnahmen. Dies setzt deren finanzielle Absicherung voraus. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, ausreichende Mittel für die Umsetzung des noch zu beschließenden Klimaschutzprogramms 2026 bereitzustellen.
2. Umfassendere Mittel des Sondervermögens müssen für verfassungsgebotene Klimaschutzmaßnahmen verwendet werden
Neben der Zuführung an den Klima- und Transformationsfonds darf das restliche Sondervermögen nach Art. 143h GG nicht nur als allgemeiner Infrastrukturfonds genutzt werden. Vielmehr ist seine Verwendung im Lichte der gleichrangigen Zweckbestimmungen des Art. 143h GG und der Verpflichtungen aus Art. 20a GG auszulegen. Diese Belange sind bei allen staatlichen Abwägungen zu berücksichtigen, wobei das relative Gewicht des Klimaschutzgebots bei fortschreitendem Klimawandel weiter zunimmt.
3. Investitionen in fossile Infrastrukturen stehen dem Verfassungsauftrag entgegen
Die Verwendung von Mitteln des Sondervermögens für neue fossile Projekte (z. B. Gasinfrastruktur ohne realistisches Potenzial für grünen Wasserstoff, Flughäfen oder Terminals) könnte die Verfassungsmäßigkeit der Ausgaben ernsthaft in Frage stellen. Sie gefährdet die Einhaltung der verfassungsrechtlich bindenden Klimaziele, wodurch massive, wohl unverhältnismäßige Eingriffe in die Freiheit künftiger Generationen notwendig werden.
Den offenen Brief finden Sie auch hier.