Dokumente zum Zeitgeschehen

»Deutschland bleibt ein gastfreundliches Land, in dem sexuelle Gewalt nicht toleriert wird«

Appell Kölner Prominenter gegen Gewalt, 21.1.2016

Die Ereignisse der Silvesternacht rund um den Hauptbahnhof haben uns alle aufgewühlt, beunruhigt, verunsichert. Viele hundert Frauen und Mädchen sind Opfer sexueller Gewalt und brutaler, offenbar bandenmäßiger Kriminalität geworden. Die Behörden, die für unsere Sicherheit verantwortlich sind, haben nicht nur hilflos zugesehen, sie haben dieses große Verbrechen im Herzen unserer Stadt zunächst verharmlost oder sogar zu vertuschen versucht. Die Ängste, wechselseitigen Vorwürfe, unbeantworteten Fragen und manche reißerischen Medienberichte, die seit der Silvesternacht die Gespräche und Debatten in unserer Stadt beherrschen, drohen zu einer Spaltung in unserer Gesellschaft zu führen. Das gilt umso mehr, als wir in einer Zeit leben, in der kulturelle und ethnische Konflikte immer häufiger auch mit physischer Gewalt geführt werden.

Um der wachsenden Polarisierung in unserer Gesellschaft entgegenzuwirken, ist es wichtig, an das Gemeinsame zu erinnern - und zwar auch ganz konkret mit Blick auf die Ereignisse der Silvesternacht. Denn gleich welchen Geschlechts und Alters wir sind, welcher Herkunft und Religion, welchen Beruf wir ausüben und welcher Partei wir angehören, welche sexuelle Orientierung wir haben und welche private Leidenschaft - wir alle wollen uns in Köln sicher, frei und offenen Blicks bewegen. So haben wir vier Forderungen aufgeschrieben, von denen wir glauben, dass sie nicht nur unsere eigenen sind.

1. Keinerlei Tolerieren von sexueller Gewalt

Nach Angaben von Frauenrechtsorganisationen wie „Terre des Femmes" wird in Deutschland noch immer alle drei Minuten eine Frau Opfer einer Vergewaltigung, etwa drei Viertel von ihnen in der eigenen Familie oder im Bekanntenkreis. Wir dürfen uns damit nicht abfinden und müssen uns gegen sexuelle Gewalt wenden, gleich von wem sie verübt wird.

2. Kampf gegen bandenmäßige Kriminalität

Wir erwarten, dass der Rechtsstaat entschiedener gegen Straßenkriminelle vorgeht, sie bestraft und gegebenenfalls auch ausweist. Der Grundsatz, dass vor dem Gesetz alle gleich sind, gilt unabhängig von der Herkunft, Kultur oder Religion. Mehr noch: Der Grundsatz ist umso stärker zu beachten, wo Menschen aus vielen unterschiedlichen Ländern, Kulturen oder Religionen zusammenzuleben.

3. Konsequenzen aus dem behördlichen Versagen

Wir schließen, dass in den Sicherheitsbehörden strukturelleProbleme vorliegen, die dringend behoben werden müssen. Denn wir sind angesichts der zunehmenden Gewalt dschihadistischer oder rassistischer Gruppierungen dringlicher denn je auf einen effizienten Sicherheitsapparat, gut ausgestattete Polizisten und einen verlässlichen Staat angewiesen, damit unsere Demokratie funktioniert.

4. Schluss mit fremdenfeindlicher Hetze - Deutschland bleibt ein gastfreundliches Land

Im Grundgesetz, das unangefochten den Rahmen des Zusammenlebens in unserer Gesellschaft bilden muss, gehört das Recht auf Asyl zu den zentralen Grundrechten. Wir sind stolz, dass der ganz überwiegende Teil Deutschlands die Flüchtlinge im Herbst freundlich und hilfsbereitempfangen hat. Ebenso berührt uns, wie dankbar sich der ganz überwiegende Teil der Flüchtlinge für die Gastfreundschaft zeigt. Wir erkennen auch an, dass die Behörden die Herausforderung, innerhalb weniger Monate über eine Million Menschen neu zu versorgen, bei allen Unzulänglichkeiten im Einzelnen insgesamt großartig bewältigt haben. Und ja, wir glauben weiter daran, dass die Bundesrepublik Deutschland auch an dieser Herausforderung wachsen kann.

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